Glenraven
Akalan hat meine straba getötet… alle außer mir.
Ich werde einsam und allein bleiben, bis ich sterbe.
Sein Körper nannte seinen Verstand einen Lügner. Wenn Matthiall Jay berührte, strömte das Blut mit der Hitze des Sonnenlichts durch seine Adern… und sie war eine Sonne, die ihn nicht verletzte. Wenn Matthiall sie ansah, öffnete sich etwas in seinem Inneren. In diesen Augenblicken fühlte er sich wie neugeboren.
Und wenn Jay wirklich das war, was sie zu sein schien?
Dann hätte er noch mehr Grund, mit seinem Schicksal zu hadern, weil er sie nur gefunden hatte, um sie wieder zu verlieren. Jay starb in seinen Armen, und sie starb langsam - viel langsamer, als er erwartet hatte, aber sie starb.
Matthiall schloß die Augen. Wenn Jay wirklich die war, auf die er sein ganzes Leben lang gewartet hatte, dann konnte er sie retten. Wenn Jay als seine Eyra geboren worden war, seine andere Hälfte, dann konnte Matthiall ihr einen Teil seiner Stärke geben, seiner Kraft - er konnte sich mit ihr verbinden. Wenn Jay sterben mußte, dann würde auch er sterben, und wenn sie überlebte, dann würde auch er leben.
Matthiall beobachtete Sophie, die ein Zelt am Waldrand aufschlug, weit genug weg von den tödlichen Schatten der Bäume.
Er spielte mit dem Gedanken, daß Jay seine Lebensgefährtin, seine Seele, sein Leben sein könnte. Machnan und Alfkindir vermischen sich nicht - doch sie war keine richtige Machnan. Sie sah zwar aus wie eine Machnan, aber sie kam von außerhalb. Außerhalb… allein die Vorstellung, daß es Leben außerhalb Glenravens gab, verschlug Matthiall den Atem. Außerhalb der streng bewachten Grenzen Glenravens existierte keine Aidris Akalan, keine sterbende Magie, keine zerbrochene Welt. Außerhalb Glenravens war das Leben anders.
Der Preis war ungeheuer hoch, den Matthiall für den Versuch zahlen müßte, Jayjays Leben zu retten. Wenn sie war, was er hoffte und erträumte, dann würde es jedes Opfer rechtfertigen.
Und wenn sie es nicht ist, du Idiot? dachte er. Wenn sie nicht deine Eyra ist und das Lied deiner straba nicht in ihren Adern singt, sondern nur in deiner Phantasie? Willst du dann immer noch dein Leben an das ihre binden? Wenn sie stirbt, hast du dein Leben vergeudet, und deine Revolution wird sich in nichts auflösen. Dann wird sich niemand mehr zwischen Aidris Akalan und die Zerstörung Glenravens stellen.
Matthiall hielt die bewußtlose Jay in den Armen und schloß die Augen. Er fühlte ihren Puls in seinen Adern.
Wie teuer ist meine Seele? Wieviel kostet meine Welt?
KAPITEL ZWEIUNDVIERZIG
Sophie blickte auf, als Matthiall Jayjay neben ihr in das Gras legte.
»Was ist?« fragte sie. Als ihr Blick auf Jay fiel, benötigte sie keine Antwort mehr. »O Gott, Jayjay«, flüsterte Sophie und legte die Hand auf die Stirn ihrer Freundin. »Jay, du mußt leben! Du kannst jetzt nicht einfach sterben!«
Jay atmete flach und schnell - Sophie zählte fünfzig Atemzüge pro Minute. Ihre Haut war beinahe durchsichtig und mit einer feinen Schweißschicht bedeckt, die Lippen ausgetrocknet und gesprungen, die Zunge geschwollen, und die halb geöffneten Augen reagierten nicht mehr. Ein fiebriger, sterbender Körper war alles, was von Jay übrig geblieben war… nicht mehr lange, und auch der letzte Funken Leben würde verschwunden sein.
Sophie konnte ihre Tränen nicht zurückhalten. Sie versuchte es gar nicht. Statt dessen griff sie nach der Hand ihrer Freundin und flüsterte: »Du kannst hier nicht sterben, Jay. Ich vielleicht, aber nicht du . Du darfst die Bastarde nicht gewinnen lassen, Jay… und wenn du hier stirbst, dann haben sie gewonnen. Du darfst nicht aufgeben. Hör nicht auf zu kämpfen. Du mußt weitermachen… immer weiter.« Sophie schluchzte und wischte die Tränen mit dem Ärmel aus dem Gesicht. Dann atmete sie tief durch und sagte: »Das Leben ist eine ständige Vorwärtsbewegung, Jay. Egal wie schlecht es auch stehen mag, das Leben geht immer weiter… du mußt durchhalten.«
Sophie bemerkte, daß Matthiall irgend etwas sagte… er rief immer wieder ihren Namen.
» Sophie! «
Sie blickte hoch. »Was?«
»Ich glaube, ich kann sie retten. Aber dazu gibt es einiges für dich zu tun. Ich habe mit Hilfe meines magischen Kristalls einen Zauber gesprochen, der es Aidris Akalan unmöglich machen sollte, uns hier zu finden. Außerdem habe ich rings um unser Lager Zauberzeichen ausgelegt, die uns vor den Blicken und Zaubern meiner Leute schützen werden. Wir sind weit genug
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