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Glenraven

Glenraven

Titel: Glenraven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Augen, Nasenlöcher und den geöffneten Mund, ihren Mund, ihre Augen und ihre Nase. Die Fliegen legten ihre Eier ab und verschwanden wieder. Nach kurzer Zeit erschienen die ersten Maden und fraßen sich durch das geschwollene, farblose Fleisch.
    Aidris wandte sich ab. Ihr war übel… und sie blickte in die glänzenden, erwartungsvollen Augen Hyultifs, der fragte: »Was habt Ihr gesehen? Was?«
    »Nur mein eigenes Gesicht«, erklärte Aidris. Sie fühlte sich schwach und verängstigt, und sie war unglaublich wütend. Als hätte er diese Vision extra für sie geschaffen - aber natürlich hatte Hyultif ihr nur gezeigt, was seine eigene Suche ergeben hatte.
    Er lächelte und seufzte mit offensichtlicher Erleichterung. Dann nahm er den Spiegel wieder aus der Flüssigkeit. »Wunderbar. Ich hatte eine Katastrophe gesehen, Mutter - eine Katastrophe, die Euch betrifft. Ich bin erleichtert, daß Ihr nicht dasselbe gesehen habt.«
    Also hatte er sich nicht über die Nachricht gefreut, die er ihr überbracht hatte. Aufgrund seines merkwürdigen Benehmens hatte sie einen Augenblick an ihm gezweifelt. Sie entschied, ihm die Einzelheiten ihrer Vision zu erzählen, um herauszufinden, wie er darauf reagieren würde. »Ich habe mein eigenes Gesicht gesehen, aber ich war tot«, gestand Aidris.
    Hyultifs Miene verfinsterte sich. Er schlug die Augen nieder. »So, dann war es also doch nicht nur meine Einbildung. Gefahr ist im Verzug. Ich sah zwei große, strahlende Helden, die durch den Wald ritten, ausgerüstet mit gewaltigen Waffen, und Glenravens Mob folgte ihnen. Ich sah gewaltige Schlachten und Blut, das vom Himmel regnete. Ich sah Finsternis und Pestilenz.«
    »Interessant«, sagte Aidris. »Vielleicht ist das ein Hinweis darauf, daß diejenigen, die sich gegen mich verschworen haben, nicht so ungefährlich sind, wie ich geglaubt habe.« Sie betrachtete ihn mit kalten, neugierigen Augen. »Was sollen wir tun, um dieses Schicksal abzuwenden?«
    Hyultif kaute nachdenklich auf seinen Schnurrhaaren. Die langen, zum Graben geformten Klauen seiner rechten Hand lagen auf dem Tisch und trommelten nervös. Er starrte auf seine nackten, krallenbewehrten Füße und schüttelte den Kopf. »Abwenden. Abwenden. Das ist die Frage - können wir es abwenden? Ich werde tun, was in meiner Macht steht, Mutter, um die Quelle der Gefahr zu finden. Alles. Was dann geschieht… wer weiß das schon?«
    »Es wäre klug von dir«, sagte Aidris leise, »wenn du die Antwort so schnell wie möglich findest. Dein Wert liegt in deiner Effizienz, mein… Sohn.«

KAPITEL SECHZEHN
     
    Jayjay suchte immer noch nach Hinweisen auf Räuber oder Mörder im zunehmenden Strom aus Fußgängern und Bauernkarren, der die Straße nach Zearn bevölkerte. Aber zu ihrer Überraschung verlief die Reise ohne jeden Zwischenfall. Die beiden Frauen zogen vereinzelte Blicke auf sich, und manchmal tuschelten die Leute, aber niemand starrte sie so auffällig an wie in Inzo. Kleidung in Landestracht war wohl doch eine recht gute Idee gewesen. Was auch immer seine Absicht gewesen sein mochte, mit den Kostümen hatte Lestovru ihnen jedenfalls einen großen Gefallen erwiesen.
    Vor ihnen erhob sich Zearn mit seiner weißen Stadtmauer, die von einem breiten Streifen aus niedrigem Gras umgeben war. Auf diese Weise konnten die Wachen alles, was größer als eine Maus war, schon von weitem herannahen sehen. Als Jayjay zu den Wehrgängen aufschaute, starrten kalte und aufmerksame Gesichter zu ihnen herab. Nicht einfach auf die Menschenmenge im allgemeinen, sondern genau auf Sophie und Jay.
    Vielleicht waren die Kostüme doch nicht so narrensicher.
    Ein Mann in einer prächtigen Uniform trat aus dem Wachturm, als die beiden Frauen näherkamen. Er beobachtete sie aufmerksam, machte aber keine Anstalten, sie aufzuhalten. Jay nickte ihm zu, worauf er sich leicht verbeugte. Seine Augen waren zu kleinen Schlitzen zusammengekniffen, und sein Blick folgte ihnen. Sie ritten vorüber. Jay erwartete jeden Augenblick, daß er sie zurückrufen würde. Aber er tat nichts dergleichen, und sie entschied, daß sein Verhalten vielleicht nicht ungewöhnlich war.
    Nachdem sie Zearn betreten hatten, fühlte sich Jay wie in einer Zeitmaschine - überall war sie von den Gerüchen, Bildern und Geräuschen einer gedeihenden und geschäftigen mittelalterlichen Stadt umgeben.
    Große Kasernen beugten sich auf beiden Seiten über die enge, gepflasterte Straße. Soldaten in gold-schwarz-blauen Uniformen lümmelten sich in

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