Glenraven
schon verstanden, was du damit sagen willst. Aber das hier ist etwas anderes. Der dunkelhaarige Kerl sah genau wie Amos Baldwell aus Peters aus. Warst du schon einmal in der neuen Buchhandlung auf der McDuffie Street?«
Sophie schüttelte den Kopf. »Ich war nicht mehr auf Bücherjagd seit… « ihr Gesichtsausdruck wurde hart, »… seit geraumer Zeit.«
»Egal. Auf jeden Fall sieht der Dunkelhaarige Amos zum Verwechseln ähnlich.«
»Soll vorkommen. In Anbetracht unserer geographischen Position bezweifle ich, daß sie miteinander verwandt sind.« Sophie wechselte das Thema. »Hast du keinen Hunger? Ich werde sterben, wenn wir nicht sofort einen Ort finden, wo wir etwas zu essen bekommen. Das Frühstück bei Retireti ist schon viel zu lange her.«
Jay blickte in die Richtung, in die die beiden Männer verschwunden waren. Ihre Ankunft war für die beiden Frauen irgendwie von Bedeutung… Der Gedanke verflog so schnell, wie er gekommen war. Jayjay war sich nicht einmal mehr sicher, ob der zweite Mann wirklich wie Amos ausgesehen hatte. Warum hatte sie dem Ganzen überhaupt eine Bedeutung beigemessen? Sophie hatte recht. Jeder besaß irgendwo einen Doppelgänger.
Im Augenblick war ein Mittagessen viel wichtiger.
Jayjay zog den Reiseführer hervor und blätterte durch das Buch, bis sie den Eintrag über Zearn gefunden hatte. »Wir sind gerade rechtzeitig zum Beginn des Gultspralle-Marktes angekommen. Das Buch sagt, der Markt wird jedes Jahr zu Ehren der Machnan-Krieger abgehalten, die Zearn auf heroische Weise von den Alfkindir erobert haben. Das geschah genau in diesem Monat, dem Spralle.«
»Dem Spralle ?«
»Offensichtlich haben sie hier den gregorianischen Kalender noch nicht eingeführt. Nicht allzu überraschend, wenn man bedenkt… « Jay las den Rest der Seite. Zwei weitere Absätze beschrieben die Geschichte der Stadt. Überall stand etwas von ›tapferen Machnan‹ und ›bösen Alfkindir‹, aber nirgendwo etwas über Mittagessen. Jay blätterte weiter, bis sie nützlichere Informationen fand. »Der Markt dauert noch weitere drei Wochen - und er hat gerade erst begonnen. Wir müssen uns so schnell wie möglich um ein Zimmer kümmern oder auf der Straße schlafen.« Jay überflog die Angebote in der Stadt und erklärte schließlich: » Beuslattar und Slattar ong Guoltmet sind die empfehlenswertesten Gasthäuser der mittleren Preisklasse.« Jayjay suchte die Namen auf dem Stadtplan und versuchte, ihre gegenwärtige Position zu bestimmen. »Okay. Slattar ong Guoltmet liegt ganz in der Nähe. Einverstanden?«
»Was steht in dem Buch darüber?«
»Slattar ong Guoltmet. Dieses wunderbare Fachwerkgebäude liegt im Herzen des ältesten Teils der Stadt, gegenüber dem Tempel vom Eisernen Herzen und nur zwei Blocks entfernt von Zearns pulsierendem Marktplatz. Die bezaubernden Zimmer sind sehr geräumig, und der exzellente Service spricht für sich.«
Sophie blickte zweifelnd. »Bezaubernd… aaah ja. ›Bezaubernd‹ hatten wir doch schon letzte Nacht.« Sie zog eine Grimasse. »Verwendet dein schlaues Buch das Wort ›bezaubernd‹ auch für… wie hieß es noch… Bugslatter?«
»Beuslattar.« Jay überflog den entsprechenden Abschnitt. »Nein. Es ist ›erlesen‹.«
»Oooh. ›Erlesen‹ . Ich wette, ›bezaubernd‹ und ›erlesen‹ sind Synonyme für ›malerisch‹. Was denkst du?«
»Ich denke, du bist zynisch.«
»Das denke ich auch… trotzdem habe ich nicht die Absicht, noch einmal in einem Hühnerstall zu nächtigen. Wie beschreibt der Fodor’s die unglaublich teuren Sachen?«
»Nun, das Wethquerin Zearn erhält einen Stern als überteuertstes Gasthaus der Stadt.« Jay las weiter. »… Stammhaus der Sarijann… luxuriöse Einrichtung… phantastische Aussicht… « Sie unterbrach sich und blickte ihre Freundin verschwörerisch an. »Naaa gut !«
Sophie beugte sich vor. »Was?«
»Badewannen.«
»Verdammt, worauf wartest du noch? Vorwärts! Wo geht’s lang?«
»Mir nach.«
Die beiden Frauen machten sich keine Gedanken mehr um das Mittagessen. Für ein einziges heißes Bad könnten sie den Hunger noch eine ganze Weile aushalten.
KAPITEL SIEBZEHN
»Mein Gott, das ist ja atemberaubend.« Sophie legte den Kopf zurück, um das steile Schieferdach besser sehen zu können, das sich über ihr erhob. Schmale, bunte Fenster funkelten in der schwarzen Steinwand des Wethquerin Zearn . Die rauhe Oberfläche der Außenwände war von der Zeit blankpoliert worden. Ein wahrer Meister seines
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