Glenraven
die Knochen zerfressen gesehen hatte.
»Der Tod reitet auf zwei Pferden, Mutter«, erklärte der Aregen sanft, während seine Schnauze noch immer in ihrer Hand ruhte. »Er kommt von einem Ort jenseits des Bekannten und bringt Zerstörung für Euch und die Euren.«
»Sprich nicht in Rätseln.«
» Magier . Machnan-Magier, mächtiger, als ich es zu beschreiben vermag, reiten herbei, um Euch zu zerstören.«
»Bist du ganz sicher?«
»Die Omen waren noch nie so deutlich. Ich bin absolut sicher.«
»Magier!« Aidris spießte ein Stück Fleisch auf ihren Dolch, schob es zum Mund und biß hinein. Sie hatte befohlen, daß man ihr zum Frühstück nur Fleisch von Machnan-Kindern vorsetzte, die nicht älter waren als zehn Jahre; aber dieses Fleisch hier stammte offensichtlich von einem wesentlich älteren Jungen - die Muskeln waren zu fest und bereits ein wenig faserig. Vielleicht sollte sie den Machnan-Köchen ihren Standpunkt doch noch einmal genauer erklären. Aidris war sicher, daß sie sie verstehen würden.
Die Schutzherrin dachte einen Augenblick über Hyultifs Bericht nach. »Glenravens Magie wird täglich schwächer. Gleichzeitig bleibt meine eigene Macht immer gleich. Die Magie meiner Feinde ist mittlerweile so weit geschrumpft, daß ich mir deswegen keine Gedanken mehr zu machen brauche. Es gibt niemanden, der mir ebenbürtig wäre.« Aidris’ Miene verfinsterte sich. »Deine Befürchtungen scheinen mir übertrieben zu sein; trotzdem besagen die Omen, daß eine Gefahr existiert. Wie ist das möglich?«
»Diese zwei sind irgendwie… frisch . Sie haben eine neue Quelle von Magie entdeckt. Sie sind stark genug, Euch zu vernichten.«
»Nun gut.« Aidris schloß die Augen und dachte nach. Ihre Wächter entzogen Glenraven die Magie, wenn sie auf Nahrungssuche gingen. Sie selbst benötigten keine Magie. Die Wächter gelüstete es statt dessen nach den Seelen ihrer Opfer. Alle Magie, die sie ihrer Beute entzogen, übertrugen sie auf Aidris. »Du hast also das Problem gefunden. Wie steht es mit der Lösung?«
»Die Zeichen stehen schlecht. Vielleicht gibt es keine Lösung. Unsere Hoffnung ist dünner als der Faden einer Spinne.« Hyultif blickte seine Herrin an und fügte mit leiser Stimme hinzu: »Aber Spinnfäden sind stark, Mutter, und wir können uns immer noch an diese Hoffnung klammern.«
Aidris nickte. Hyultifs melodramatische Rede hatte sie verärgert. Sie wußte, daß sie stärker war als alles, was sich ihr entgegenstellen mochte. Trotzdem hatten Hyultifs Worte sie beunruhigt - sie fürchtete sich sogar. Wütend riß Aidris ein weiteres Stück aus dem Fleisch und spülte es mit einem kräftigen Schluck Wein hinunter. »Sag mir genau, was du herausgefunden hast… und ohne Umschweife«, befahl sie. Aidris war angenehm überrascht, daß der scharfe Ton ihrer Stimme nur nach Verärgerung klang und nicht nach… Furcht!
»Schickt Eure Jäger aus, um die Magier herzubringen, wo Ihr sie zuerst untersuchen und dann zerstören könnt. Die Zeichen sind klar und deutlich. Ihr müßt Euch den Vorboten Eurer Vernichtung stellen und mit ihnen sprechen.«
»Und wie sollen meine Jäger sie finden?«
»Ich werde Euch den genauen Zeitpunkt und den Ort mitteilen, sobald die Zeichen günstig stehen - haltet nur Eure Jäger bereit.«
»Ich werde Bewul sofort damit beauftragen, eine Gruppe zusammenzustellen.«
Hyultif schüttelte energisch den Kopf. » Nein . Nein, nein, nein. Mutter - Ihr müßt den Verräter Matthiall auf die Jagd nach ihnen schicken. Ihr müßt so tun, als würdet Ihr ihm vertrauen und ihn über Bewul stellen. Macht ihn für eine Weile zu Eurem Liebling. Nur durch seine Handlungen könnt Ihr hoffen, sowohl ihn selbst als auch die Machnan-Magier in Eure Hand zu bekommen.«
Aidris blickte Hyultif finster an. »Ich soll tun, als würde ich Matthiall vertrauen? Das gefällt mir ganz und gar nicht. Matthiall ist… unberechenbar.« Sie seufzte. Hyultifs Ratschläge hatten sich bis jetzt immer als richtig erwiesen. »Na gut. Matthiall wird die Jäger anführen. Was sonst?«
»Nichts. Haltet Eure Jäger nur in Bereitschaft, so daß sie jederzeit aufbrechen können. Ich werde die Omen studieren und Euch informieren, sobald die Zeit zum Handeln gekommen ist.«
»Das hast du gut gemacht, mein liebes Kind.« Aidris bedachte Hyultif mit einem geheuchelten Lächeln. Eines Tages würde sie ihn den Wächtern übergeben und seine Magie für sich beanspruchen. Hyultifs Wahrsagekunst leistete ihr gute Dienste,
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