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Glenraven

Glenraven

Titel: Glenraven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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aber er bedeutete eine Gefahr. Nur Hyultif allein wußte, daß sie noch immer verwundbar war. Wenn Hyultif jemals auf den Gedanken kommen sollte, sich diese Information zunutze zu machen, dann konnte er Aidris ernsthaft schaden. Es war besser, ihn zu vernichten, bevor er die Gelegenheit dazu bekam.
    »Wenn du hinausgehst, schick mir Bewul und Matthiall. Ich habe beschlossen, Matthiall mit einem Kommando zu ehren.«
    Hyultif verbeugte sich und rieb erneut die Schnauze an ihrer Hand. Er fühlte sich offensichtlich geschmeichelt, daß Aidris ihn nach all den Jahren wieder als ›ihr Kind‹ bezeichnet hatte. »Ihr seid unsere wahre Hoffnung, Mutter.« Hyultif blickte ehrfürchtig zu ihr hoch, und sein lippenloser Mund öffnete sich zu einem Lächeln, das seine messerscharfen Zähne deutlich hervortreten ließ.
    Aidris lächelte noch immer, als sie ihren Diener entließ. Im selben Augenblick, dachte sie, wo die Gefahr vorüber ist, werde ich deine Knochen zermalmen und dein widerliches, grinsendes Gesicht zu Brei zerstampfen, du kleines Monster.

KAPITEL DREIUNDZWANZIG
     
    Jay fühlte sich besser. Es war wesentlich leichter gewesen, aus Zearn herauszukommen als aus dem Wethquerin Zearn. Die beiden Frauen hatten den gleichen Weg genommen, den sie am Tag zuvor hereingekommen waren. Niemand hatte sie aufgehalten. Die ersten Händler, die ihre Stände auf dem Marktplatz errichteten, hatten die beiden Reiter gar nicht bemerkt. Sie waren die einzigen Menschen, die Jay und Sophie innerhalb Zearns gesehen hatten. Auf den Feldern vor der Stadt übten Soldaten den Kampf zu Pferd und zu Fuß. Sie bekämpften sich mit Schwertern und Spießen und exerzierten in Schlachtformationen.
    Die beiden Frauen hatten eigentlich gehofft, daß die kühle, frische Morgenluft sie vom Gestank der mittelalterlichen Stadt befreien würde, doch die morgendliche Sonne hatte die Luft noch nicht ausreichend erwärmt. Der Geruch von Fäkalien verfolgte sie weit über die Stadtgrenze hinaus.
    Jay und Sophie begegneten zahlreichen Bauern aus der Umgebung, die mit ihren Waren in die Stadt zogen. Sie trugen Gemüse in großen, unförmigen Säcken oder trieben Vieh vor sich her, das sie auf dem Markt zu verkaufen hofften. Kinder in schäbiger Kleidung liefen den Erwachsenen hinterher. Die Gesichter und gebeugten Körper der Menschen waren ein unübersehbares Zeichen ihrer Armut und der zahlreichen Krankheiten, die das Leben verkürzten. Das war ihr Los. Sie schwatzten miteinander, lachten und freuten sich auf den Markttag, der sie für kurze Zeit aus ihrem traurigen Alltag befreien würde. Wenn Jayjay ihnen in die Augen blickte, dann sah sie Hunger, Schmerz und dieselbe namenlose Furcht, die ihr schon bei den Einwohnern Inzos aufgefallen war.
    Diese Gesichter erschütterten Jays Ansichten über die angeblich so unmenschlichen Nebeneffekte von Mechanisierung und Industrialisierung. Angesichts dieses Elends erschienen ihr die Probleme ihrer eigenen Welt geradezu lächerlich.
    Für die meisten Menschen war das Leben im Mittelalter nicht voller Prunk und Ritterlichkeit gewesen. Die Bauern, an denen die beiden Frauen vorbeiritten, bildeten die Masse der Bevölkerung, und sie besaßen hängende Schultern, graue Gesichter und verfaulte Zähne. Sie teilten ihre Häuser mit dem Vieh, pinkelten in Gräben, badeten selten und aßen nur, wenn die Ernte Ratten, Vögel und späten Frost überlebt hatte… sonst blieben sie hungrig. Ihre Kinder starben scharenweise - genau wie sie selbst.
    Jay spürte das Bedürfnis, Glenravens Führer ausfindig zu machen und ihnen Verstand einzuprügeln. Wie konnten sie zulassen, daß ihre Untertanen in derartigem Elend lebten? Ihr Reiseführer hatte bei seinen farbigen Beschreibungen dieses mittelalterlichen ›Paradieses‹ nichts von dem Leid erwähnt, auf dem es erbaut war.
    Jay war wütend. Warum unternahm niemand etwas dagegen?
    Die beiden Frauen erreichten das Ende der breiten Straße, die nach Zearn führte. Vor ihnen gabelte sich der Weg. Rechts ging es auf die Hauptstraße, die sie bereits gestern entlanggeritten waren, und links ging es tiefer nach Glenraven hinein.
    Jay, die ein Stück weiter vorne ritt, wandte sich nach rechts. Die Straße führte nach Süden, zurück zum Tor, nach Hause und in Sicherheit - zurück zu Problemen, die sie verstehen konnte. Sophie hatte ihr gesagt, daß sie nicht mehr daran glaubte, lebend hier herauszukommen. Daß sie wahrscheinlich in Glenraven sterben würde. Jay war beinahe wahnsinnig vor

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