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Glenraven

Glenraven

Titel: Glenraven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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wäre.«
    Das Gras fühlte sich unter Sophies nackten Füßen an wie Seide. Sie haßte den Gedanken an Socken und Schuhe, aber wenn der Moment zur Flucht gekommen war, wollte sie bereit sein. Sophie hockte sich neben Jay und zog ein Paar Strümpfe an. »Okay. Du hattest also keinen Geistesblitz. Warst du denn wenigstens intelligent?«
    »Würdest du dich auch mit ›nicht ganz blöd‹ zufriedengeben?«
    »Wenn es uns hier rausbringt, dann nehme ich auch ›dumm wie Scheiße‹. Was hast du vor?«
    Jay deutete auf das hohe Gras, hinter dem die Toilette verborgen war. »Wir können ein paar Steine aus der Wand da drüben brechen, dann verstecken wir sie im Gras und lärmen so lange herum, bis jemand kommt. Dann ziehen wir ihm eins über und machen, daß wir wegkommen.«
    Sophie starrte ihre Freundin verdutzt an. »Klar, du hast recht. Das hat so ziemlich gar nichts , was einen guten Plan auszeichnet. Wie können wir sicher sein, daß wirklich nur einer kommt? Und wenn nur einer kommt, wie können wir sehen, wie er das macht? Wenn rein und raus auf demselben Weg geschieht - und angenommen, wir überwältigen die Wache und kommen raus -, wie finden wir dann durch dieses Labyrinth? Und selbst wenn wir auch das schaffen, wie kommen wir über die Zugbrücke?«
    Jay rümpfte die Nase. »Ich weiß, daß es kein toller Plan ist. Hast du einen besseren Vorschlag?«
    »Mir ist überhaupt nichts eingefallen.«
    »Nichts?«
    »Nichts.« Sophie erwähnte nichts von der hypnotischen Kraft des Wasserfalls. Sie fühlte sich besser, nachdem sie ein Bad genommen hatte, doch die Freude über die eigene Sauberkeit wies ihnen wohl kaum den Weg in die Freiheit.
    »Aber du willst meinen glorreichen Plan trotzdem ausprobieren?« fragte Jayjay.
    Sophie steckte die Hände in die Hosentaschen und lehnte sich gegen die steinerne Wand, die - ebenso wie der Boden - so lange nachgab, bis sie sich ihr angepaßt hatte. »Nun… sagen wir mal, ich hätte gerne vorher noch einige Fehler ausgebügelt.«
    »Fluchtpläne sind nicht notwendig«, knurrte eine Stimme von der Tür.
    Die beiden Frauen sprangen auf und wandten sich dem Eindringling zu. Ein behaartes, wölfisches Wesen von der Größe eines Shetland-Ponys trottete in den Raum und wedelte mit seinem Schwanz wie mit einer Peitsche. Aufgrund der ungewöhnlichen Form seiner Schultern und seiner Hüften glaubte Sophie, daß es für kurze Zeit aufrecht gehen konnte. Die Kreatur besaß zudem richtige Hände, die allerdings deutliche Merkmale von Pfoten aufwiesen.
    Gesicht und Fell waren über und über mit Blut bedeckt, und das Wesen atmete schwer.
    Jay flüsterte: »Einer der Warrags.«
    Sophie erkannte, daß es eine der Kreaturen war, die sie gestern als ›sprechende Hunde‹ charakterisiert hatte, obwohl dieses Alptraumwesen in Wahrheit wenig Ähnlichkeit mit einem Hund besaß. Es war schlank und irgendwie faszinierend. Sophie hatte den Eindruck, daß es prüfte, ob die beiden Frauen als Mahlzeit geeignet seien. Sie fragte sich, warum das Tier so blutverschmiert war, und in ihrem Hals bildete sich ein Kloß.
    Das Wesen verbeugte sich. »Ich bin in der Tat ein Warrag«, erklärte es. Offensichtlich besaß es ein gutes Gehör. »Ihr könnt mich Grah nennen.«
    Jayjay nickte mißtrauisch. »Du bist derjenige, der mich gefunden hat… und Matthialls Mitverschwörer, nicht wahr?«
    Grah schnaufte und legte den Kopf auf die Seite. Irgendwie schaffte er es, sowohl verwirrt als auch gefährlich zu wirken. »Ihr seid außerordentlich gut informiert. Hat Matthiall über mich gesprochen, als er euch herbrachte?«
    »Nein«, erwiderte Jayjay. »Aber ich habe meine eigenen Quellen.«
    »Sehr gute Quellen«, sagte Grah. Er blickte von einer Frau zur anderen. »Und wer seid ihr?«
    Jay senkte den Kopf in dem Versuch, seine Verbeugung zu imitieren. »Julie Bennington.«
    »Und ich bin Sophie.« Sophies Stimme versagte. Sie klang wie ein Junge im Stimmbruch.
    »Sophie… Juliebennington. Ihr ehrt uns mit eurer Anwesenheit.«
    Sophie war nicht sicher, was der Warrag als höflich ansehen würde und was als unverzeihlichen Fauxpas, aber sie konnte die Unwissenheit nicht länger ertragen. »Warum bist du so blutverschmiert?« fragte sie. »Hat dich jemand angegriffen? Hat jemand versucht, deine Wache zu umgehen, um uns anzugreifen?«
    »Von einem gewissen Standpunkt aus.« Der Warrag grinste. »Jemand hat eure Wache angegriffen, meinen lieben Freund Hanarl… und ihn getötet. Armer Hanarl. Er ist bei dem Versuch

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