Glenraven
ungewöhnlich. Vielleicht hatte Matthiall sich die ganze Zeit über um die Geheimtür gekümmert und sie für diesen Tag in Ordnung gehalten.
Nachdem alle drei durch die Öffnung gegangen waren, trat Matthiall erneut zu einem der steinernen Bäume. Er berührte einen verborgenen Schalter, und die Tür schloß sich wieder.
Sie befanden sich in einer riesigen Kammer, deren Zentrum von einer Reihe künstlicher Sterne erleuchtet wurde. Jay schaltete ihre Lampe aus. »Wir werden nicht lange hierbleiben«, erklärte Matthiall, während er in die Äste eines der steinernen Bäume griff und einen Ledersack zum Vorschein brachte. »Ich habe diesen Tag gefürchtet und mich entsprechend vorbereitet.« Er warf den Sack über die Schulter. »Ich habe Trockenrationen für zwei Wochen und meinen Kristall… er wird für uns wichtiger sein als alles andere. Allerdings habe ich keine Gesellschaft erwartet, deshalb wird unser Proviant wohl kaum so lange reichen, wie ich gedacht habe. Ich habe auch noch einige Waffen. Jede von euch erhält einen Dolch und ein Schwert. Im Augenblick befinden wir uns in Sicherheit, also ruht euch ein wenig aus.«
Während Jay und Sophie einfach nur dastanden und um Atem rangen, ordnete Matthiall seine Ausrüstung. Dann reichte er den beiden Frauen die versprochenen Waffen. Matthiall zeigte Jay, wie man einen Waffengurt am besten anlegte, um das Schwert schneller ziehen zu können.
Jay spürte seinen Blick wie eine Berührung, eine Liebkosung - genau wie in ihrem Traum. Sie trat einen Schritt zurück und wandte das Gesicht ab, damit Matthiall ihre Reaktion nicht als Abneigung deuten würde. Ihr Puls raste, und die Röte schoß ihr ins Gesicht. Ihr Körper verriet ihre Gedanken - typisch .
Matthiall lächelte verlegen und begann zu zittern. Er wirkte so unsicher… entwaffnend… bezaubernd . Jayjay blickte ihm in die Augen, obwohl sie es gar nicht wollte, und wieder spürte sie diese Elektrizität. Sie stellte sich vor, wie er sie küßte, wie seine Hände über ihren Körper glitten und wie sein warmer Atem ihre Haut berührte… sie spürte, wie sie von ihm angezogen wurde, wie seine Finger über ihre Brust strichen und seine Hüften zwischen die ihren drängten… der ekstatische Augenblick, wenn sie miteinander verschmolzen…
»Nein«, flüsterte Jay.
»Nein?« fragte Matthiall.
Jay bemerkte überrascht, daß Matthiall mit großen Augen und blassem Gesicht vor ihr stand. Sein Atem ging rasselnd. Sie sah wieder weg… jeder Blick war eine Berührung, und wenn er so hilflos dastand, konnte sie ihn nicht ansehen und gleichzeitig widerstehen.
»Nein.« Es sollte eigentlich selbstbewußt und zornig klingen, aber das Zittern in ihrer Stimme verriet deutlich ihren inneren Aufruhr.
»Wie hast du das gemacht?« fragte Matthiall verwirrt.
»Was gemacht?« Jay fühlte sich schwach und hilflos - nur wenige Zentimeter von ihm entfernt und mit glühendem Körper. Sie wehrte sich, kämpfte gegen das Gefühl an… Jay fürchtete die Macht, die Matthiall durch ein Eingeständnis über sie erlangen würde.
»Du hast es auch gefühlt… ich sehe es in deinen Augen. Was hast du mit mir gemacht, kleine Machnan?«
»Ich bin keine Machnan, und ich habe nichts gemacht«, erwiderte Jay trotzig.
Matthiall schüttelte den Kopf. »Nein. Ich kann mich nicht von dir angezogen fühlen und du nicht von mir, außer… du bist etwas, was nicht sein kann. Machnan .« Er sprach das letzte Wort mit einer Bitterkeit aus, die Jay an ihren eigenen Gemütszustand erinnerte. »Ich kann nicht begehren; ich kann nach niemandem verlangen. Ich bin der letzte und einzige meiner straba … der einzige Überlebende. Ich bin und werde immer allein sein.«
Matthiall zog sich von Jay zurück, brachte eine physische Distanz zwischen sich und die Frau, die ihn so verwirrte. Jayjay beobachtete ihn. Sie ärgerte sich über ihre eigenen Gefühle. Es waren überwältigende Gefühle, die einfach aus dem Nichts aufgetaucht waren - vollkommen ohne Grund.
Jayjay starrte auf ihre zitternden Hände. Irgend etwas regte sich in ihr - etwas, das sie nie zuvor gekannt hatte. Sie fand keinen Namen dafür. Eine schwere, brennende Leere drückte sie nieder, und das Gewicht auf ihren Schultern preßte ihr die Luft aus den Lungen.
Das ist reine Einbildung, dachte Jay. Irgendein perverser Wunsch nach Selbstzerstörung. Ich bin fünfunddreißig Jahre alt und habe dreimal Pech gehabt. Irgendein verrückter Teil von mir möchte dieses Drama zu Ende führen
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