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Gletschergrab

Gletschergrab

Titel: Gletschergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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»Den erledigen wir gleich mit.
    Machen wir einen Mord draus. Ratoff braucht davon nichts zu erfahren.«
    Ratoff, dachte Kristín.
    Simon ging zurück zur Tür. Es klopfte wieder, noch heftiger als beim ersten Mal. Jemand rief laut nach Kristín. Die Stimme kam ihr bekannt vor, sie kam aber im Moment nicht darauf, zu wem sie gehörte. Simon öffnete die Tür, packte den Mann ohne Umschweife und zerrte ihn in die Wohnung. Als die Tür aufging und David für einen Moment von dem Geschehen vorne im Flur abgelenkt war, ergriff Kristín die Gelegenheit. Sie sprang auf, stieß David so heftig von sich, dass er über den Schreibtisch fiel, und rannte zur Tür. In dem Moment wurde ihr klar, wer der Besucher war. Er exportierte transportable Gefrieranlagen nach Russland. Randolf.
    »Achtung«, schrie sie. »Die sind bewaffnet!«
    Randolf kam nicht mehr dazu zu antworten. Er sah die Panik in Kristíns Gesicht, als sie auf ihn zustürzte, blickte ins Wohnzimmer und sah David über den Schreibtisch fallen. Es gab einen kleinen Knall in der Wohnung, und als Kristín an Randolf vorbeischoss, bildete sich auf seiner Stirn ein kleines rotes Loch. Kristín sah, wie er lautlos in Simons Arme fiel. Als sie durch die Tür rannte, streifte der nächste Schuss ihr Ohr und blieb in der Tür stecken. Sie raste so schnell sie konnte durch das Treppenhaus zur Haustür, nach draußen in den Schnee und bog um die Ecke. David und Simon folgten ihr dicht auf den Fersen.
    Sie hatte gerade einkaufen gehen wollen, als ihr Bruder sie vom Gletscher angerufen hatte, hatte aber noch keine Schuhe 58

    angezogen. Auf Socken, in einer weiten Trainingshose und einem Unterhemd unter dem Anorak stürmte sie um die Hausecke und durch den Hinterhof. Sie wagte es nicht, sich umzusehen. Sie wusste, dass ihr die verrückten Mormonen hart auf den Fersen waren, und zweifelte nicht mehr daran, dass sie es ernst meinten. Sie sprang über ihren Gartenzaun, rannte über die Straße und durch den gegenüberliegenden Garten. Noch einmal schwang sie sich über einen Zaun und verschwand in der Dunkelheit.
    Es rettete ihr das Leben, dass David und Simon keine Übung darin hatten, im Schnee zu rennen. Mit ihren Lackschuhen hatten sie keine Chance sie einzuholen. Als sie ihre Schuhe endlich abgestreift hatten, war Kristín verschwunden. Ihre Spuren verloren sich zwischen vielen anderen Fußstapfen. Sie kehrten zu Kristíns Wohnung zurück. Die beiden Schüsse und die Verfolgungsjagd hatten in den oberen Etagen des Hauses niemanden alarmiert. Dort schien niemand zu Hause zu sein.
    Simon und David schlossen die Tür hinter sich, verließen die Wohnung fünf Minuten später und stiegen in den Jeep.
    »Weißt du, was auf dem Gletscher ist?«, fragte David.
    »Bakterien, eine biologische Waffe«, gab Simon zurück.
    »Ein tödlicher Virus. Begraben im Eis seit dem letzten Weltkrieg.«
    »Ein Virus! Woher weißt du das?«
    »Ratoff ist dieser Ansicht, und ich glaube, einen B-Waffenexperten an Bord der C-17 gesehen zu haben.«
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    7
    Ratoff ging auf die beiden jungen Männer von der Bergnotrettungsgruppe zu. Sie waren knapp zwanzig, trugen dicke Overalls in Signalorange, der Farbe dieser Bergnotrettungsgesellschaft, deren Abzeichen auf Brust und Oberarmen aufgenäht war. Ratoff sah, dass sie große Angst hatten. Als die Soldaten urplötzlich auf sie zurasten, hatten sie versucht zu fliehen, waren aber nach einer kurzen Verfolgungsjagd eingekreist und zu Ratoff gebracht worden. Bei dem, der Elías hieß, fanden sie ein Handy. Der andere, der seinen Namen mit Jóhann angab, hatte kein Telefon und keine Funkausrüstung dabei. Beide waren blond, groß und sahen gut aus. Ratoff, der selber klein und hässlich war, glaubte, alle Isländer sähen so gut aus.
    Ihre Motorschlitten waren auf dem kleinen Radarschirm der Spezialeinheiten aufgetaucht, und Ratoff hatte verfolgen können, wie sie sich von ihrer Gruppe lösten und zu einer Spritztour aufbrachen. Sie hielten die ganze Zeit direkt auf das Flugzeug zu, und Ratoff war nichts eingefallen, was sie von ihrem Kurs hätte abbringen können.
    Die Rettungsmannschaft hielt ihre Übung in siebzig Kilometern Entfernung ab und stellte keine Gefahr dar. Nur diese beiden hatten sich von der Gruppe getrennt.
    Die jungen Männer wurden in Ratoffs Zelt gebracht und dort von bewaffneten Posten bewacht. Sie hatten das Flugzeug im Eis gesehen. Sie hatten das Hakenkreuz unter der Flugkabine gesehen. Sie hatten die bewaffneten Soldaten gesehen, an die

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