Gletschergrab
einen Augenblick, bevor er die Frage übersetzte. Smith beugte sich zu dem General hinunter, dessen Lächeln noch breiter wurde.
»Sie haben eindeutig zu viele Filme aus unserem Land 202
gesehen. Wie schießen nicht auf Isländer, wir beschützen sie.
Wir bezahlen isländischen Unternehmern Unsummen für die Dienstleistungen, die sie für uns erbringen. Wir sind mit ihnen befreundet, wir bringen sie nicht um. Ich bin der Auffassung, dass ich nicht viel mehr für die Herren tun kann. So Leid es mir tut. Falls Sie gekommen sind, um eine Nation zu beleidigen, die Ihnen freundschaftlich verbunden ist, dann ist Ihnen das ziemlich gut gelungen. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte.«
Er stand auf. Smith kam hinter dem Tisch hervor und wartete darauf, dass die Isländer aufstanden. Sie erhoben sich langsam, und der Ältere ließ seinen Blick von Smith zu Wesson wandern.
»Smith and Wesson?«, fragte er. »Das soll wohl ein Scherz sein?«
»Du bist selber ein Scherz, mein Lieber«, erwiderte Smith. Er sprach fehlerfreies Isländisch.
»Wer sind Sie eigentlich?«
»Bitte verlassen Sie jetzt den Raum.«
»Was geht hier eigentlich vor? Was haben Sie zu verbergen?«
»Unverzüglich!«
Das Autotelefon der beiden Kriminalbeamten klingelte, kaum dass sie von der Botschaft weggefahren waren. Das Gespräch wurde von der Telefonzentrale des Polizeidezernats durchgestellt. Am anderen Ende der Leitung war ein Rechtsanwalt, der darüber lamentierte, dass sein Jeep gestohlen worden war.
»Diese verdammte Zicke«, sagte die Stimme am Telefon. »Sie wollte ihn angeblich nur für eine Stunde ausleihen, aber sie hat ihn bestimmt zu Schrott gefahren.«
»Sprichst du von der Frau, nach der wir fahnden, Kristín?«, fragte der ältere Kriminalbeamte.
»Ja, genau die«, erwiderte der Rechtsanwalt gereizt. »Du hast wohl eine ziemlich lange Leitung, was?«, fügte er hinzu.
203
»Was wollte sie mit dem Jeep?«
»Spielt das eine Rolle, verdammt nochmal?« Der Rechtsanwalt klang ziemlich wütend. »Seht zu, dass ihr das verdammte Auto findet, und zwar dalli!«
»Hat sie gesagt, wohin sie wollte?«
»Wenn ich wüsste, wohin sie wollte, hätte ich mich nicht an euch Trottel von der Polizei gewandt.«
»Hat der Jeep ein Telefon, ein Autotelefon, meine ich?«
Der Kriminalbeamte war kurz davor, die Geduld zu verlieren, wusste aber, dass er sich noch einen Moment beherrschen musste.
»Selbstverständlich.«
»Hast du schon versucht anzurufen?«
»Himmelherrgottnochmal, für wie bescheuert hältst du mich eigentlich? Natürlich habe ich versucht anzurufen. Entweder nimmt sie nicht ab, oder das Telefon ist abgestellt. Einmal war auch besetzt.« Der Rechtsanwalt sagte ihnen die Nummer.
»Wirst du dich jetzt vielleicht endlich dahinter klemmen, sie zu finden, oder was?«, sagte der Rechtsanwalt.
»Ach, leck mich doch …«, gab der Kriminalbeamte mit müder Stimme zurück und stellte das Telefon ab. Es dauerte nicht lange, bis es wieder klingelte. Jetzt war der Polizeidirektor am Telefon.
»Habt ihr unsere Freunde in der amerikanischen Botschaft beleidigt?«, fragte er schroff.
»Nicht dass ich wüsste«, antwortete der Kriminalbeamte verblüfft. Wie schnell sich so was rumspricht, dachte er bei sich.
»Der Justizminister hat sich bei mir gemeldet. Er bekam einen Anruf von irgendeinem Smith, der sagte, ihr hättet euch über das Aussehen des Chargé d’Affaires lustig gemacht, und auch über ihre Namen. Stimmt das?«
204
»Wir untersuchen hier einen Kriminalfall, und sie hätten sich wirklich etwas kooperativer zeigen können. Wir haben eine Leiche auf dem Hals und eine Schießerei mitten in der Stadt, und du regst dich über ein Pferdegebiss auf?«
»Versuch nicht, dich da herauszureden. Wenn ich richtig verstehe, seid ihr unverschämt und arrogant geworden.«
»Wieso sind die eigentlich auf einmal so zart besaitet? Das war ja noch nicht einmal der Botschafter, sondern irgend so ein General, der ein Gesicht wie ein Steinbeißer hatte, und genauso kooperationswillig war er auch.«
»Diese Kristín, nach der ihr sucht, habt ihr eine Ahnung, wer das ist?«
»Nicht die geringste«, antwortete der Kriminalbeamte und kratzte sich am Kopf.
205
24
Kristín hielt die zerschlissene deutsche Uniformjacke in der Hand und strich darüber, Knöpfe, Taschen, Kragen. Links hingen drei Orden an der Brust. Sie reichte die Jacke weiter an Steve, der sie ebenfalls ganz genau untersuchte. Sie schauten fragend zu Jón hinüber.
»Ich
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