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Gletschergrab

Gletschergrab

Titel: Gletschergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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sich nie so lebendig gefühlt, hatte sie nie die Dinge so im Griff gehabt und so viel Selbstvertrauen gespürt. Eine innere Kraft war freigelegt worden, von deren Existenz sie keine Ahnung gehabt hatte, und diese Kraft trieb sie vorwärts. Die Schrecknisse und Strapazen, die sie erlebt hatte, schienen wie ein Lebenselixier zu wirken.
    Sie hatten einen Nebelschleier zerrissen, der über ihrem Leben lag, und sie dazu gebracht, mit sich selbst ins Reine zu kommen.
    Die Balance zu finden. Ihre Gefühle anzuerkennen und sie auszuleben.
    »Kannst du dich erinnern, wie ich damals abgehauen bin?«
    »Die Stützpunktgegnerin persönlich als Amiflittchen! Das werde ich nie vergessen. Ich verstehe es inzwischen ein bisschen besser, aber …«
    Steve verstummte.
    »Weswegen hast du es denn überhaupt so weit kommen lassen mit unserer Beziehung?«, fragte er dann.
    »Ich hatte zunächst überhaupt keine Probleme damit, erst an dem Abend bei dir zu Hause. Vielleicht lag es am Ort und am Zeitpunkt. Ich hätte viel mehr Zeit gebraucht. All das brach an diesem Abend irgendwie über mich herein. Ich wurde damit nicht fertig. Es hatte nichts mit dir zu tun. Mit allem anderen, aber nicht mit dir. Dieser ganze Mist wegen der Basis.«
    Sie schwiegen.
    »Und das, was du in den letzten vierundzwanzig Stunden durchgemacht hast, wird wohl kaum dazu angetan sein, deinen Hass auf die Amerikaner zu vermindern«, sagte Steve.
    221

    Kristín stöhnte.
    »Es dreht sich nicht um einen besonderen Hass auf die Amerikaner. Es gibt Militär in diesem Land, und dagegen bin ich. So einfach ist das.«
    »Lass uns über etwas anderes reden. Sollten wir nicht versuchen einzuschlafen?«
    »Ich bin froh, dass ich zu dir gekommen bin«, sagte Kristín.
    »Ich weiß nicht, wie ich das ohne dich hätte schaffen sollen.
    Dank dir, Steve.«
    »Es war gut, dass du zu mir gekommen bist. Ich habe immer gehofft, dass wir irgendwie … Ich wäre das ganz anders angegangen, hätte ich gewusst, dass …«
    Er verstummte.
    »Wenn das hier vorüber ist«, sagte Kristín, »wenn das alles hier vorüber ist, machen wir einfach nochmal einen neuen Anfang und sehen mal, was daraus wird. Bist du bereit dazu?«
    Steve nickte langsam.
    »Warum schaust du mich so an?«, fragte er. »Du guckst so
    …«
    Sie küsste ihn.
    »Was soll denn das?«
    »Keine Ahnung«, gab Kristín zurück und küsste ihn noch einmal, diesmal auf den Mund.
    Frauen im Krieg, dachte sie, kam aber nicht weiter.
    Bevor sie sich versahen, rissen sie sich stöhnend und keuchend die dicken Wintersachen vom Leib. Knöpfe, Reißverschlüsse, noch mehr Knöpfe, größere Reißverschlüsse. Sie krochen unter die Bettdecke auf die nackte Matratze und küssten sich leidenschaftlich und hemmungslos. Sie verzehrten sich nach einander. Er bedeckte ihre Brüste mit Küssen, kroch dann unter die Decke und schob ihre Beine auseinander. Als er sich wieder aufrichtete, spürte sie, wie er in sie eindrang, und kam ihm 222

    entgegen.

    Ratoff wurde ins Kommunikationszelt gerufen. Die Arbeiten auf dem Gletscher waren wieder in vollem Gange. Auf der einen Seite des Flugzeugs war der Schnee völlig weggefegt worden, aber auf der anderen Seite hatten sich riesige Schneewehen gebildet. Man war dabei, am vorderen Teil der Junkers Gurte zu befestigen. Ratoff erwartete zwei Hubschrauber. Sobald die Traggurte sicher befestigt waren, würden sie die Leichen wieder in die Maschine legen, die Öffnung verschließen und das ganze Zeug mit den Hubschraubern wegschaffen. Das bedeutete zwar, dass mehr Außenstehende Wind davon bekämen, was auf dem Gletscher abgelaufen war, aber die Flugzeugteile würden mit Planen verhüllt werden. Ratoff machte sich keine Sorgen wegen irgendwelcher Gerüchte. Es waren sowieso schon genug davon im Umlauf. Als er ins Zelt kam, deutete einer der Nachrichtentechniker auf den Radarschirm. Zahlreiche kleine grüne Punkte krochen den Schirm herunter, so langsam, dass die Bewegung kaum zu erkennen war.
    »Diese Rettungsmannschaft ist im Anmarsch«, sagte der Nachrichtentechniker.
    »Stell mir eine Verbindung zur Botschaft her«, befahl Ratoff.
    223

    27
    Das zweite Meeting zwischen den Vertretern der isländischen Regierung und den Amerikanern war ebenfalls geheim. Es fand am See von Þingvellir in der Sommerresidenz des Premierministers statt. An ihm nahmen der Premierminister, der Außenminister und diesmal auch der Justizminister teil. Ihnen gegenüber saßen wie gehabt der Admiral als Oberbefehlshaber der

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