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Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Titel: Gletscherkalt - Alpen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan König
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Kamera kein
derartiges Signal bekommt.«
    Stille. Stille. Nichts als Stille.
    Und dann die Frage von Marielle. Laut ausgesprochen, was jeder
dachte: »Können wir denn nichts tun? Wir müssen doch irgendetwas tun, oder? Wir
können doch nicht nur so dasitzen und warten, während da drunten einer in so
einer Scheiß-Gletscherspalte verreckt!«
    Es war Nacht, kurz nach halb vier Uhr, und es blieb ihnen gar nichts
anders übrig, als auf den Tagesanbruch zu warten. Bei Nacht gingen die Chancen,
jemanden zu finden, gegen null. Doch die Chancen, dass ihnen selbst etwas
passieren würde, stiegen da ganz erheblich.
    »Keine Chance bei Nacht«, sagte Michael. »Das Einzige, was wir tun
können, ist warten. Beim ersten Licht brechen wir auf. Okay?«
    Natürlich hatte er recht. Marielle wusste, dass es die einzige
vernünftige Antwort war.
    Und doch hasste sie nichts mehr als das Warten.
    *
    Tinhofer lag in seinem Grab. Es war schwarz, und es hatte Wände
aus Stahl, kaltem Stahl. Er war froh, hier zu sein, wo die Kühle seine
Schmerzen gelindert und ihm die beinahe völlige Finsternis nach und nach alle
Angst genommen hatte.
    Mit der Hand, die er besser bewegen konnte, befühlte er den Stahl.
Nur der erste Eindruck hatte ihn glatt erscheinen lassen, poliert wie eine
Panzerglasscheibe. Die Stunden hier – waren es Stunden? Sein Zeitgefühl war
abhandengekommen – hatten ihn gelehrt, dass im glatten Material Dellen und
Wölbungen waren, dass er es mit seinen Fingernägeln ritzen konnte, dass kaltes
Wasser über seine Hand rann und weiter in den Ärmel.
    Wie lange es wohl her war, dass er in diese Höhle, diese kalte
Kluft, sein Grab geraten war? Die Torturen waren ihm bewusst, die grässlichen
Schmerzen, die er anfangs erlitten hatte. Es war furchtbar gewesen, das
Schlimmste, was er je erlebt hatte. Und doch war das nun fern wie eine
Erinnerung. Alles Grauenvolle hatte sich abgemildert, die schrillen Töne waren
leiser, die grellen Farben, mit denen sein Gehirn das Chaos versinnbildlicht
hatte, waren immer zarter geworden. Und: Er zitterte nicht mehr.
    Tinhofer war sich nicht sicher, ob er träumte oder ob das die
Realität war. Auch war er sich nicht sicher, ob es ein schlechter oder ein
guter Traum war, wenn es denn ein Traum war …
    Es gab Momente, da war er sich der Situation, in der er sich befand,
völlig bewusst. Er erinnerte sich des Sturzes, der schweren Verletzungen, der
Ausweglosigkeit seiner Lage – und dass er sterben würde. Dennoch loderte keine
Angst mehr in ihm auf, keine Panik. Es war nicht schlimm, dass sein Leben zu
Ende ging. Schlimm war nur, dass er sich nicht von seiner Frau und seinen
Kindern verabschieden konnte. Dass er keine Gelegenheit haben würde, sie noch
einmal zu sehen, ihre Stimmen zu hören. Dafür hätte er viel gegeben: die
Stimmen noch einmal zu hören, die Augen zu sehen, ihnen über die Gesichter, das
Haar streichen zu können.
    Doch bei diesen Gedanken tauchte er in eine andere Dimension ein,
war nicht mehr hier, aber auch noch nicht fort, wusste sich in seinem Grab –
und fühlte sich darin geborgen, ohne Schmerzen eben, ohne Angst, sehr ruhig,
sehr zuversichtlich. Auch wenn er nicht hätte sagen können, worauf seine
Zuversicht gestützt war.
    Manchmal schrie er noch. Wenn er seine Lage veränderte, den Körper
ein klein wenig bewegte, wenn er seine zerborstenen Knochen zu spüren bekam.
Doch das war selten. Das Eis umfing ihn mit einem Kokon aus Kälte.
    Tinhofer ertastete die Fototasche. Er hatte auf den Tag warten
wollen, darauf, dass Licht in die Spalte einfiel. Aber es machte nicht den
Eindruck, als ob die Nacht jemals aufhören würde.
    Ich … kann … nicht … länger … warten, dachte er. Seine Gedanken
waren bereits so unterkühlt wie jede seiner wenigen Bewegungen.
    Er zog die Fototasche noch näher zu sich heran. Die Bewegung kostete
ihn enorme Kraft und verursachte unheimliche Schmerzen. Einmal schrie er auf.
    Den Reißverschluss der Tasche zu öffnen, die Kamera aus dem
gepolsterten Fach zu holen, den Objektivdeckel zu entfernen und sich das Gerät
dicht ans Gesicht zu holen, bereitete ihm unendliche Mühen. So oft hatte er die
Kamera bedient, dass er das auch in völliger Dunkelheit schaffte. Das Problem
war nicht die Nacht, das Problem waren seine Finger, die steif geworden waren,
seinem Ansinnen nicht mehr gehorchen wollten. Es dauerte lange, bis das Display
aufleuchtete und somit einen Hauch von Licht in seiner Gletscherspalte
erzeugte.
    Licht, das nicht reichen

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