Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Titel: Gletscherkalt - Alpen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan König
Vom Netzwerk:
kleinen Gaskocher hatte er sich ein Fertiggericht
zubereitet, spinatgefüllte Tortellini, hatte sich danach den Schlafsack um die
Schultern gelegt und war mit einer kleinen Flasche Bier noch lange so gesessen
und hatte nur geschaut und gehorcht. Das Päckchen Zigaretten hatte er
unangetastet gelassen – nicht etwa, weil er seit dem medizinischen Befund
verzweifelt versucht hätte, gesünder zu leben und auf alle Wohlstandsgifte zu
verzichten; er war schon lange nur mehr ein Gelegenheitsraucher, hatte die
Abhängigkeit von den Tschicks mit dem Beruf des Fotoreporters ablegen können.
Einfach so. Er hatte Angst davor gehabt, hatte sich Qualen des Entzugs
vorgestellt, und dann war es ganz problemlos gegangen, gleichsam von einem Tag
auf den anderen. Nun rauchte er nur mehr gelegentlich, zu besonderen Anlässen.
    An diesem Abend hatte er keine Lust auf eine Zigarette. Der Geruch
der Luft war so besonders, dass er nicht genug davon bekommen konnte und dass
er ihn sich nicht durch den Qualm des Tabaks verderben wollte. Er sog die Luft
laut durch die Nase ein, spürte die Kühle in den Nebenhöhlen, machte die Brust
weit auf und den Bauch rund – und ließ dann, ebenfalls laut, die Luft durch den
Mund wieder entweichen. Das wirkte entspannend und beruhigend, und es duftete
besser als jedes Duftöl, das in kaum einem Haushalt noch fehlte.
    Er lag in seinem Schlafsack und sah zu den Sternen, von denen es im
Gebirge viel mehr zu sehen gab als in der Stadt: Hier war es ringsum dunkel,
während im Tal der Lichtsmog nur mehr einen Bruchteil der Sterne erkennen ließ.
Tinhofer empfand es als magischen Anblick, und er ärgerte sich beinahe, dass er
irgendwann müde werden und einschlafen würde. So eine Nacht, dachte er, sollte
man nicht schlafend zubringen. Die sollte man auskosten bis zum neuen Tag.
    Er lauschte hinein in diese stille, zumindest beinahe stille Nacht.
Bisweilen hörte er hoch über sich, wie das Brummen eines Maikäfers, eine
Linienmaschine fliegen. Gelegentlich hörte er das Poltern von Steinen, die sich
irgendwo in den gegenüberliegenden Bergflanken, wo Fels mit Eis sich mischte,
gelöst hatten. Das klang laut und erzeugte ein Echo. Es war weit weg, und schon
deshalb hatte es keinen bedrohlichen Unterton. Allerdings, und das konnte
Tinhofer nicht leugnen, konnte er froh sein, da zu sein, wo er war, und nicht
dort, wo der Steinschlag ihm gefährlich geworden wäre.
    Tinhofer lag lange wach. Dachte nach. Über sein aktuelles
Fotoprojekt. Über seine Erkrankung, von der außer ihm und den Ärzten niemand
etwas wusste, nicht einmal seine Frau. Er schwadronierte in stummem
Selbstgespräch, ob dieses Eins-sein-Können mit der Natur nicht auch positive
Auswirkungen auf seinen Gesundheitszustand habe, ob das Atmen dieser Luft nicht
etwa heilend wirken könnte.
    Allmählich wurde es heller, die Berge gegenüber, die lange wie ein
Fotonegativ gewirkt hatten, bekamen einen Grauschleier. Bald würde der Mond die
Szenerie noch mystischer erscheinen lassen, als sie ohnehin schon war.
    Tinhofer setzte sich auf, holte die Kameratasche aus dem Rucksack,
schraubte den Fotoapparat aufs Stativ. Er rieb sich die Hände; die Nacht begann
wirklich kalt zu werden. Aber das machte ihm nichts aus. Es war ein gutes
Gefühl, hier zu sein. Und so lange er an seinem Buch über die Gletscher
arbeitete, würde er nichts spüren. Davon war er, allen Ängsten und Zweifeln zum
Trotz, überzeugt.
    *
    »Das war nicht richtig«, sagte Manczic. »Das hättest du nicht
tun sollen. War überhaupt nicht nötig.«
    Sie fuhren im Polo über den Seefelder Sattel in Richtung Zirler
Berg. Sie waren schon wieder in Tirol, in einer halben Stunde konnten sie in
Innsbruck sein.
    »Was ich will, ist, dass die zur Rechenschaft gezogen werden, die
irgendetwas mit dem Tod meiner Tochter zu tun haben. Aber nicht andere
Menschen. Die Frau hat damit nichts zu tun. Das ist Unrecht, verstehst du?
Verstehst du überhaupt, was ich meine?«
    Die Antwort gab Manczic sich gleich selbst. »Du verstehst es nicht!
Wie solltest du auch. Woher sollte einer wie du auch unterscheiden können
zwischen dem, was Recht ist, und all dem, was Unrecht ist? Woher solltest du …«
    Kurth fuhr abrupt rechts ran, hielt den Wagen auf dem Bankett an,
schaltete die Warnblinkanlage ein.
    »Du hältst jetzt das Maul! Hast verstanden? Ich will nicht mehr
hören dein Gejammere. Wen interessiert die Frau? Wir haben das Auto gebraucht …«
    »Das Auto, ja, das haben wir gebraucht.« Manczic ließ

Weitere Kostenlose Bücher