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Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Titel: Gletscherkalt - Alpen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan König
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Verzweifeln. Wie hat Hosp
gesagt: Wir sind immer einen Schritt hintendran. Nicht nur körperlich, auch
gedanklich. Und was wir auch tun – es ist immer zu spät, wir schaffen es nicht,
Boden gutzumachen.«
    »Du sagst, es ist zum Verzweifeln. Du bist aber nicht verzweifelt.
Ganz im Gegenteil. Es geht dir so gut wie schon lange nicht mehr.«
    Sie schwiegen wieder, beide. Schwarzenbacher schaute in den Himmel,
Ellen auf den Fluss. Ein Stück weiter vorn überquerte die Standseilbahn auf
ihrer schmalen, von zwei minarettartig nach oben ragenden Pfeilern getragenen
Betonbrücke den Inn.
    Es dauerte lange, bis einer von ihnen wieder etwas sagte. Es war
Schwarzenbacher. Nur drei Worte: »Meinst du wirklich?«
    Das war alles.
    »Hmhm«, war Ellens zustimmende Kurzantwort.
    Das war auch alles.
    Als sie wieder in der Wohnung waren, geschah etwas ganz
Ungeheuerliches. Etwas, das Ellen so nie zuvor erlebt hatte und von dem sie
zugleich fürchtete, es nicht noch einmal zu erleben. Schwarzenbacher
verzichtete auf seine Musik. Kein Jazz, kein Rock, nichts Anstrengendes.
Stattdessen kramte er aus den paar CD s, die sie
mitgebracht hatte und die sie meist nur auf dem kleinen Gerät in der Küche
anhörte oder wenn er, was immer seltener vorkam, allein das Haus verließ, eine
Scheibe von Chris Rea heraus. Die legte er ein, im Wohnzimmer, was mehr oder
weniger sein Zimmer war, wo er den Tag und oft die halbe Nacht zubrachte, und
drehte die Lautstärke ganz ordentlich auf.
    Ellen wusste, dass er diese Musik nicht mochte. Nicht mögen war
sogar noch ein ziemlich freundlicher Ausdruck für sein Verhältnis zu Popsongs.
    Üblicherweise betitelte er Leute wie Chris de Burgh als »verdammte
Schnulzensänger«, Robbie Williams war ein »britischer Schlagerprolet, der sich
an Songs von Sinatra vergangen hat« – was beides schon dezidierte Aussagen zum
musikalischen Genre waren. Meist aber tat er das, was sie gern hörte,
rücksichtslos und gnadenlos als »gequirlte Radioscheiße« ab, »nur dass im Radio
auch noch die Dummschwätzer ihre infantilen Späßchen machen, sich soo lustig
und soo toll vorkommen, was der Sache dann den Rest gibt.«
    Chris Rea also. »Long is the time and hard is the road«, sang er.
»Everybody looking for a place to put down their heavy load …«
    *
    »Bin ich richtig bei Fotograf Tinhofer?«
    Tinhofers Frau stutzte einen Augenblick. Der Akzent des Mannes klang
nach einem Autohändler, wie es sie an der östlichen Ausfallstraße der Stadt gab
oder dort, wo Innsbruck und Hall zusammenwuchsen. Doch dann sagte sie Ja.
    »Aber er ist leider nicht zu sprechen«, sagte sie.
    »Ist aber wichtig«, hörte sie den Mann am anderen Ende der
Telefonverbindung. »Muss ihn unbedingt sprechen, verstehen Sie?«
    Sie dachte nach. Was konnte der Mann wollen? Er klang nicht wie die
Leute, die üblicherweise hier anriefen, um Verlagsangelegenheiten zu klären
oder eines seiner Bilder für die Veröffentlichung in einer Zeitschrift oder in
der Werbung zu kaufen.
    »Er ist unterwegs. Um was geht es denn? Kann ich Ihnen vielleicht
helfen?«
    Sie sah am Display des Telefons, dass es sich um eine Innsbrucker
Nummer handelte. Während der Mann antwortete, schrieb sie die Nummer auf den
kleinen quadratischen Block, der immer neben dem Apparat lag.
    »Entschuldigen Sie mein schlechtes Deutsch«, hört sie den Mann
sagen. »Arbeite für slowenischen Verlag. Wir planen ein großes Buch über die
Alpen. Die ganzen Alpen, von Ljubljana bis nach Südfrankreich, verstehen Sie?
Großes Buch, international, mit vielen Bildern. Viele Bilder von Ihrem Mann,
wenn das so recht wäre.«
    Jetzt gewann der Anruf an Plausibilität für sie. Seine
Bergfotografien waren gefragt. Und sie wurden nicht nur in Alpin-Zeitschriften
gedruckt, sondern auch in der »Geo«, im »Merian«, im »Stern«, überall.
    »Mein Mann ist unterwegs. Er arbeitet zurzeit an seinem
Gletscherprojekt …«
    »Kann ich ihn nicht treffen?«
    »Da müssten Sie schon ins Zillertal fahren«, sagte sie. Und lächelnd
fügte sie hinzu: »Und selbst dann hätten sie kaum eine Chance, ihn zu finden.«
    »Er wird aber doch ein Handy dabeihaben.«
    »Für Notfälle«, sagt sie. »Wenn er sich ein Bein bräche, dann würde
er es anschalten. Ansonsten – keine Chance. Aber wenn Sie wollen, richte ich
ihm aus, dass Sie angerufen haben, und er meldet sich bei Ihnen. Wie war doch
gleich noch mal Ihr Name? Und Ihre Erreichbarkeit?«
    »Es ist wirklich wichtig«, bedrängte sie der Mann. »Können

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