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Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Titel: Gletscherkalt - Alpen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan König
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sich nicht
einschüchtern. »Du hättest deshalb aber nicht die Frau –«
    »Was hätte ich nicht? Meinst du, sie hätte dir Auto geschenkt, weil
du freundlicher alter Trottel bist? Oder hätten wir sie zu einem Hotel fahren
sollen und Suite mieten für sie? Bist völlig blöd?«
    Der Alte schwieg.
    »Wer hat uns eingebrockt die ganze Scheiße? Wer hat die Polizei auf
der Spur? Du doch! Du hast nicht aufgepasst. Du kannst nicht zurück in Wohnung.
Wegen dir sind wir hier und fahren mit Scheißauto.«
    Kleinlaut antwortete Manczic: »Ich habe aber doch gedacht, dass du
ein Auto aufbrechen und stehlen kannst. Kannst doch sonst alles. Habe nicht
gedacht, dass du das mit der Frau machst –«
    »Red nix«, sagte Kurth, schaltete die Warnblinkanlage ab und fuhr
wieder los. »Wir müssen nach Innsbruck. Zu dir geht nicht. Lass dir was
einfallen.«
    Manczic nickte. Zurück nach Innsbruck. Aber wohin? Und wie lange
würde es dauern, bis sie diesen Mann gefunden haben würden? Den Fotografen, der
Tinhofer hieß.
    Er brannte darauf, ihn seiner gerechten Strafe zuzuführen. Jahre und
Jahrzehnte hatte er auf diesen Tag gewartet. Und jetzt war es bald so weit.
Tinhofer musste sterben. Er noch, und dann wäre Schluss. Auch für mich, dachte
Manczic.
    *
    »Ich möchte spazieren gehen«, sagte Schwarzenbacher. »Hast du
Zeit? Hast du Lust?«
    Ellen wäre beinahe sprachlos gewesen. Paul überraschte sie von Tag
zu Tag mehr. War es doch noch gar nicht lange her, dass er schwer depressiv auf
der Couch herumgehangen war, überaus reizbar, lebensunlustig und ihrer Meinung
nach auch suizidgefährdet.
    Es musste an diesem Fall liegen, der ihn beschäftigte und wegen dem
er sich gestern mit Reuss und Hosp und den Kletter-Youngsters, wie sie die
beiden nannte, getroffen hatte. Es musste daran liegen, dass ihm mit nichts so
sehr Leben eingehaucht werden konnte wie mit kriminalistischen Rätseln. Was
selbst ihre Liebe nicht vermocht hatte, die Zuwendung, die sie ihm gab – zwei
Tote schafften das. Das war ernüchternd. Und doch war es der Strohhalm, nach
dem sie griff, greifen musste.
    »Lass mich das noch fertig machen«, sagte sie. »In einer
Viertelstunde bin ich so weit. Wo möchtest du hin? In die Stadt?«
    Wenn sie »in die Stadt« sagte, meinte sie die Altstadt und die von
ihr ausgehenden Geschäftsstraßen. Die Gegend also, wo sie meistens mit ihm
unterwegs war.
    »Nein«, sagte er. »Nicht in die Stadt. Hängt mir allmählich zum Hals
heraus. Gehen wir lieber am Fluss entlang.«
    Er war verändert. Das wurde ihr erneut klar, als sie ihn im
Rollstuhl am Hochufer des Inns entlangschob. Er wirkte kein bisschen
deprimiert, im Gegenteil. Paul schien aufgekratzt zu sein, unruhig auf eine
geradezu positive Art. Er hatte sein Handy an der Armlehne des Rollstuhls
befestigt, hatte es voll im Blick, es hätte ihm nicht entgehen können, wenn der
Eingang einer SMS angezeigt worden wäre.
    »Da vorn ist eine Bank frei«, sagte er. »Lass uns da ein bisschen
bleiben.«
    Er parkte seinen Rollstuhl rückwärtsfahrend neben der Bank ein, wo
Ellen Platz nehmen konnte. Sie hatten Blick auf den Fluss, der breit und nach
den letzten regenlosen Tagen nun beinahe gemächlich durch die Stadt floss, und
sie konnten hinaufsehen zur sogenannten Nordkette des Karwendelgebirges.
    »Man braucht sich eigentlich nicht zu wundern, dass die Deutschen
die Tiroler für ziemlich behämmert halten«, sagte sie.
    Schwarzenbacher verstand nicht.
    »Karwendel-Nordkette …«
    Sie zeigte nach oben: Hungerburg, Station Seegrube,
Hafelekar-Bergstation und die felsige Gipfelkette.
    »Das ist die südlichste der Karwendelketten«, sagte sie. »Und wir
Idioten sagen Karwendel-Nordkette dazu.«
    Weil sie sich nördlich von Innsbruck erstreckt«, sagte
Schwarzenbacher, den Kopf in den Nacken gelegt, sodass er über den Gipfeln das
helle Blau des Himmels sehen konnte.
    »Komische Logik«, sagte Ellen.
    »Eine Frage des Standorts«, gab Schwarzenbacher grinsend zurück.
»Logik ist immer auch eine Frage des Standorts. Für die Piefkes ist die
Nordkette die Südkette. Für uns hier … Aber du als alte Schulmeisterin willst
das natürlich nicht wahrhaben.«
    Ellen gab ihm einen Rempler gegen die Schulter. Er beugte sich weg
und lachte. Lachte! So, wie sie ihn schon seit Wochen nicht mehr lachen gesehen
hatte. Er kam ihr vor wie einer der Schuljungen, die sie unterrichtete, die
nicht ruhig sitzen konnten, dauernd irgendwelchen Blödsinn machten, dem
Fortgang geregelten Unterrichts

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