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Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Titel: Gletscherkalt - Alpen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan König
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unteren Bereich hatte sich nichts geändert. Es
schien sich immer noch um dieselbe schmutzige Jeans zu handeln, und sie trug
noch immer dieselben Schuhe samt den löchrigen Strümpfen.
    Als er später in seinem schäbigen Zimmer schlaflos auf dem Bett lag,
hörte er durch die sperrholzdünnen Wände die Stimme seines Partners und der
Frau, bald aber auch Quietschen und Stöhnen.
    Er dachte an ihre Strümpfe, und es widerte ihn an. Er brachte
keinerlei Verständnis dafür auf, dass sich sein Partner mit so einer
abgetakelten Dorfschlampe einlassen musste. Wieder kamen ihm die Strümpfe in
den Sinn, aus denen die Zehen herausgeschaut hatten. Ihn ekelte. Allerdings
fragte er sich, wie es ihm früher ergangen wäre, als er selbst noch jung war.
»Du kannst nicht immer wählerisch sein, du musst nehmen, was du vors Rohr
bekommst«, hatte ein Arbeitskollege gesagt. Das war Jahrzehnte her, und jetzt
fiel es ihm wieder ein.
    Lange sann er diesem Bonmot aber nicht nach. Im rhythmischen Rucken
des Bettes im Nachbarzimmer, im schneller werdenden Keuchen der Menschen
nebenan dachte er an seine Frau, an ihrer beider Liebe, an ihre Tochter, an das
Zerbrechen ihrer Ehe, an ihren Tod. Und daran, dass mit ihren Ersparnissen erst
möglich geworden war, worauf er so lange gewartet hatte: Sühne für Carlas Tod.
    Doch es drängte sich etwas anderes in seine Erinnerungen.
    Bilder, die sich nach vorn schoben, die alles andere überdeckten und
sich nicht wegdenken ließen. Bilder, die ihn quälten, die ihn nicht schlafen
ließen und die alles in Frage stellten. Er hielt sich die Hände vor die Augen.
Es war Nacht. Durch das Fenster fiel nur wenig Licht der Straßenlaternen. Und
doch war es für ihn nicht Nacht genug. Er presste die Handballen auf die Augen,
so lange und so fest, bis er einen dumpfen, in den Mittelpunkt seines Kopfes
strahlenden Schmerz verspürte.
    Eine Wohltat war dieser Schmerz, er würde schnell nachlassen, und
mit dem Nachlassen könnte er vielleicht Erlösung finden. Doch seine Hoffnung
erfüllte sich nicht. Die Bilder kehrten zurück, sobald der Schmerz sich
verflüchtigt hatte, sobald die Lichtpunkte und Blitze, die seine Handballen auf
den Netzhäuten erzeugt hatten, abgezogen waren wie ein nächtliches
Sommergewitter.
    Die Frau.
    Sie hat nichts mit alldem zu tun.
    Sie ist nicht Teil des Planes.
    Spiss musste sterben. Der Redakteur musste sterben. Sie haben Carla
auf dem Gewissen. Sie sind schuldig, mehr oder weniger, so oder so. Sie haben
den Tod verdient. Und der Fotograf, Tinhofer heißt er, hat ihn am allermeisten
verdient.
    Aber die Frau?
    Er dachte an seine Frau, wie sie war während ihrer Ehe, wie sie war
während ihres Zusammenlebens, wie sie war, als Carla starb.
    Sie hätte das nicht gewollt, dachte er. Nie hätte sie das gewollt.
    Wahrscheinlich hätte sie auch alles andere nicht gewollt. Aber daran
ist nichts zu ändern. Das muss sein. Niemand war daran interessiert gewesen,
die Schuldigen zu bestrafen. Niemand hat etwas getan, um meiner Carla zu ihrem
Recht zu verhelfen. All die Jahre nicht.
    So wollte ich nicht sterben. Nicht mit dem Wissen, dass diese
Schweine ungestraft davongekommen sind.
    Alles ist gut gelaufen, seit er über das Geld seiner verstorbenen
Frau verfügen konnte, seit er in seinem Herkunftsland einen »Dienstleister«
geboten bekam, der all das für ihn erledigen würde, was er, allein schon wegen
seines Alters, nicht mehr geschafft hätte. Den Mann hatte er nie zuvor gesehen,
sie waren zwar über sechs Ecken miteinander verwandt, aber er war ihm fremd,
und er war froh, wenn er wieder weg sein würde. Er bekam das Geld, erledigte,
was zu erledigen war. Dann sollte er auf Nimmerwiedersehen verschwinden.
    Ja, bisher war alles so gelaufen, wie er sich das gewünscht hatte.
Zwei der Schuldigen waren tot. Der erste hatte zu wenig gelitten, das war ihm
nicht recht gewesen, aber wenigstens war er tot, anstatt sich einen ruhigen,
reichen, sorgenfreien Lebensabend gönnen zu können. Der zweite war wohl so
gestorben, wie es die Gerechtigkeit wollte: langsam und qualvoll. Und dieser
Mann hatte den Preis dafür bezahlt, dass er ihn, Manczic, beschmutzt und seine
Ehe zerstört hatte.
    Und der dritte hatte nur noch Stunden oder Tage …
    Doch zu welchem Preis?
    Die Frau!
    Sie würde sterben. Sie hatte nichts mit der Sache zu tun.
    Er wollte nicht, dass sie starb.

12
    Marielle war froh, dass sie diesmal mit der Sache nichts zu tun
hatte. Dass sie nicht in diese schlimme Geschichte hineingezogen

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