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Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Titel: Gletscherkalt - Alpen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan König
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Schokoriegel.
    Er aß, während er zurückfuhr nach Zirl. Dass ihn das Zeit kostete,
war klar, und er war ziemlich verärgert darüber. Aber es blieb ihm nichts
anderes übrig. Er musste den Alten informieren. Und er musste ihn irgendwo
unterbringen, wo man ihn nicht fand. Am besten in einem der Orte im Zillertal.
Denn der Wunsch seines Auftraggebers war schließlich, mitgenommen zu werden in
das Land, aus dem er ursprünglich stammte. In den Süden, in ein kleines,
abgelegenes Bergdorf, wo er die letzten Jahre seines Lebens unentdeckt
zubringen wollte.
    Von Innsbruck nach Zirl, das war selbst auf der Landstraße, die an
der Kaserne vorbei-und unter der Martinswand hindurchführte, nur eine
Viertelstunde. Er hatte seine Schnitzelsemmel noch gar nicht aufgegessen, als
er vor dem Haus hielt, wo sie die in jeder Hinsicht billige Nacht verbracht
hatten.
    »Dein Papa oder dein Onkel oder was immer des is, is fort. Was isser
eigentlich?«
    »Wie? Fort?«
    »Hat sein Rucksack packt, hat zahlt und is fort. I hab ihn net
gfragt, wohin. Is doch net mei Sach, oder?«
    Er sah die Frau, die ihnen die Zimmer vermietet hatte, wütend an. Am
liebsten hätte er ihr mit der flachen Rückhand ins Gesicht geschlagen.
    Du blöde Kuh, dachte er. Du verdammte, blöde, dumm gefickte Kuh.
    Aber er tat es nicht. Konnte sich beherrschen, musste sich
beherrschen. Nur kein Aufsehen, nicht mehr als unbedingt notwendig.
    »Ist er zu Bus, oder wie?«, fragte er.
    »Weiß i net«, sagte die Frau. »Wahrscheinlich isser zum Bus, der wos
nach Innsbruck fahrt. Er hat nix gsagt. Hat noch telefoniert, bevor er gangen
is. Hat gfragt, ob er telefoniern könnt. Und er hat zahlt dafür. I hab eh
gmeint, dass er di anruft.«
    »Wann?« Das Wort klang so hart wie ein Schlag.
    »Wann was? Du meinst, wann er weg is? Lass mi nachdenken …«
    Sie schaute auf ihre Uhr, Plastikmodell mit pinkfarbenem Armband und
pinkfarbenem Gehäuse.
    Nach endlos langsam verstreichenden Sekunden sagte sie: »Eine
Dreiviertelstund is des her. Vielleicht ein bisserl mehr.«
    Und übergangslos fügte sie hinzu: »Magst einen Kaffee? I könnt uns
einen Kaffee machen.«
    *
    Die ganze Nacht hatte er an kaum etwas anderes denken können –
und seit er allein war, hatte sich das noch verschlimmert. Es hätte genügt, ein
Auto zu stehlen. Es war so unnötig und so ungerecht, ihr Gewalt anzutun.
    Sie hatten die Nacht in Zirl verbracht, ein paar Kilometer westlich
von Innsbruck. Private Gästezimmer in einer Seitenstraße. »Zimmer frei«, hatte
als Leuchtschrift im Parterrefenster eines ziemlich heruntergekommenen Hauses
geblinkt. »Zimmer frei« … rot … schwarz … rot … »Zimmer frei«.
    »Das ist gut.« Sein Partner hieß jetzt Kurth, und er wollte sich am
nächsten Tag daranmachen, in Innsbruck diesen Tinhofer zu finden. »Wird keiner
fragen, wer wir sind. Glaub mir.«
    Die Frau, die ihnen geöffnet hatte, war Ende dreißig oder Anfang
vierzig – wenn sein Einschätzungsvermögen, das eines alten Mannes, noch
halbwegs zuverlässig war. Ihre Haare, blond und schulterlang, waren so
ungepflegt wie ihre Kleidung: eine Bluse von unbestimmter Farbe, deren
Ausschnitt bis weit auf die großen Brüste reichte, eine Jeans, die schmuddelig
war, Sandaletten, aus denen dicke Wollstrümpfe mit Löchern an den Zehen
herauslugten.
    Sie hatte zwei Zimmer gehabt – »Klo und Waschbecken am Ende vom
Flur« – sie hatte Manczic gar nicht beachtet, nur den anderen, hatte sich
erboten, ihnen auch noch etwas zu essen zu richten – »ein paar Brote,
Aufschnitt, Streichkäse, ein Bier« –, was sie angenommen hatten, um
nirgendwohin gehen zu müssen, wo sie vielleicht aufgefallen wären.
    Das Brot war hart, die Wurst grau, die Küche, wo sie zu essen
bekamen, wenig einladend. Im angrenzenden Wohnraum lümmelte ein halbwüchsiger
Junge vor dem Fernseher, ohne von den Gästen oder von seiner Mutter Notiz zu
nehmen. Über dem Tisch, an dem sie aßen, hing ein Klebstreifen, an dem
unzählige Fliegen pappten. Einige davon zappelten noch mit den Gliedmaßen, die
noch nicht von der Leimfalle erfasst worden waren.
    Während sie ihr karges Mahl verzehrten, verschwand die Frau für
einige Zeit, um dann »zurechtgemacht« wiederzukommen. Sie hatte die Bluse
gewechselt, trug jetzt ein schwarzes, eng anliegendes Shirt mit dem
silberfarbenen Aufdruck »Easy Rider«. Die Haare waren besser frisiert als
zuvor. Und sie hatte sich geschminkt, die Augen schwarz umrandet, feuerroten
Lippenstift aufgetragen. Nur im

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