Glitzerbarbie
second-hand günstig abzugeben.
Erschwerend kommt hinzu, dass wir uns permanent streiten.
Marius meint, ich sei unordentlich und würde meine Klamotten nie zusammengelegt über die Palmen hängen.
»Es ist doch wirklich nicht zu viel verlangt, dass du ein bisschen Ordnung hältst«, meint er. »Wenn wir uns hier so gehen lassen, geben wir uns irgendwann auf!«
»Mir ist es egal, wie meine Klamotten liegen«, keife ich zurück.
»Es stört nämlich niemanden. Weil niemand außer dir hier ist!«
»Dann könntest du es ja wohl aus Rücksicht auf mich tun«, mosert er böse. » MIR gefällt Unordnung nun mal nicht. Zu Hause bist du ja nicht anders. Ständig muss ich deine Gesichtscreme zumachen, weil du immer den Deckel daneben liegen lässt.«
Gott, so was Pingeliges. Wieso ist mir das eigentlich nicht früher aufgefallen? Ich frage mich, ob er eigentlich immer schon so war oder ob in Extremsituationen der wahre Charakter des Menschen zum Vorschein kommt.
Zum Schluss reden wir fast gar nicht mehr miteinander. Ich grübele darüber nach, ob er wirklich der Richtige für mich ist, höre aber nach ein paar Minuten damit auf, weil es müßig ist.
Wenn wir hier nicht gefunden werden, erübrigt sich die Frage, ob er der Richtige für mich ist. Letztendlich ist Marius dann nämlich der Einzige für mich. Und das für immer.
5
Wir hören auf, die Tage zu zählen. Das einzig Gute ist, dass ich abnehme, weil ich wegen der Hitze keinen Hunger habe und ständig schwimme, weil ich ja sonst nichts zu tun habe. Was würde ich dafür geben, jetzt duschen zu können und Haare zu waschen. Nur wenn es regnet, kann man sich mal einigermaßen salzfrei fühlen. Ansonsten klebt das Salz auf der Haut, es juckt und ist einfach nur eklig. In den Bach traue ich mich nicht, wer weiß, was da drin schwimmt.
Am was weiß ich wie vielten Tag, es müssen mindestens zwei Wochen sein, höre ich plötzlich ein Geräusch. Ich sitze am Strand (wo sonst?) und versuche, wie ein Kleinkind eine Burg zu bauen. Marius ist im Wald unterwegs, um uns eventuell einen Papagei zum Mittagessen zu fangen. Ich kann das Geräusch nicht richtig orten und stehe auf. Und dann sehe ich draußen auf dem Meer einen weißen Punkt. Der Punkt kommt näher. Näher. Noch näher. Ich fange an zu schreien und zu winken und kann nur beten, dass, was immer das ist, mich zur Kenntnis nimmt und näher kommt. Das Objekt kommt tatsächlich näher, und ich erkenne schließlich, dass es sich um ein Boot handelt. Womöglich um unser gekentertes?
Kurze Zeit später stellt sich heraus, dass es ein Segelboot ist, das unter Motor fährt. Daher also das Geräusch. Ich könnte mich küssen für meinen guten Gehörsinn! Wobei ich Segelboote eigentlich hasse. Auf einer Pressereise hat mich mal ein Segelzeitschriftenredakteur, er hieß Roland Dunkel, tagelang verbal vor den anderen Teilnehmern niedergemetzelt. Wegen meines Gewichts, wegen meines Aussehens, wegen allem. Unter anderem behauptete er, ich hätte einen fetten Arsch und meine Zunge würde aussehen, als hätte eine Möwe draufgeschissen. Ich
glaube, durch Roland Dunkel habe ich den letzten Rest an Selbstbewusstsein verloren. Wenn ich diesen Mann mal wieder sehe, werde ich ihn vierteilen. Langsam und genüsslich.
Das Boot kommt näher, und ich erkenne zwei Männer, die den Anker auswerfen, um dann mit einem Schlauchboot zu uns rüberzupaddeln. Ein älterer Mann mit weißen Haaren steigt zuerst aus und fragt mich verwirrt: »Was machen Sie denn hier? Diese Insel ist noch nicht mal in der Karte verzeichnet. Es kann aber sein, dass ich keine aktuelle Karte habe. Obwohl ich kartenmäßig immer auf dem neuesten Stand bin. Ich muss das mit der Karte nochmal überprüfen. Die Karten … «
Ich hole Luft, um zu antworten, komme aber nicht dazu. Mann zwei antwortet nämlich. »Vielleicht macht sie hier eine Nulldiät. Wäre ja nicht das Schlechteste.«
Ich schaue zu Mann Nummer zwei. Vor mir steht Roland Dunkel, der spöttisch grinst und mich von oben bis unten mustert.
Da fällt mir auf, dass ich nichts, aber auch gar nichts anhabe.
Warum nur immer ich, warum, warum, warum?
»Hallo, Herr Dunkel«, sage ich böse.
»Tach auch, Frau Schatz«, entgegnet Herr Dunkel. »Schön hier, nicht? Sie passen wirklich gut hierher. Das ist eine üppige Vegetation ringsherum!«
Mann Nummer eins schaut verwirrt von einem zum anderen.
»Sie kennen sich?«, fragt er schließlich und rauft sich das Haar. Ich nicke.
Herr Dunkel hebt die Hände.
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