Glitzerbarbie
auf. Gut, dass ich eine solch begeisterte Spielfilmschauerin bin. Das rettet uns bestimmt das Leben. Bestimmt.
Die Insel ist größer, als wir dachten. Hinter dem einen Berg gibt es noch einen Berg, und überall stehen dicht gedrängt Riesenbäume.
Ich latsche hinter Marius her und schaue die ganze Zeit auf den Boden. Weil ich nämlich nicht in eine überdimensionale Vogelspinne treten möchte oder auf einen Barrakuda, der am Strand angeschwemmt wurde, es mit letzter Kraft bis hierher geschafft hat und es als seine letzte gute Tat ansieht, mir meine Ferse abzubeißen.
Wir finden tatsächlich einen Bach, eher ein Rinnsal, und Marius spielt den Helden und kostet vor. Nie hat mir Wasser besser geschmeckt! Ich hänge über irgendwelchen Farnen und lasse es literweise in mich reinlaufen.
Außer bunten Vögeln, ich vermute, Papageien, scheint es keine Tiere auf der Insel zu geben. Und außer Bäumen und Farn auch nichts. Das kann ja ein heiteres Leben werden. Von was sollen wir uns ernähren? Wir können noch nicht mal was kochen. Wir können ja noch nicht mal Feuer machen. Doch, Moment, das hab ich in »Cast away« auch gesehen. Trockene Blätter und einen Holzstab so lange drehen, bis man ihn sich versehentlich in die Hand rammt, einfach so wahnsinnig wird oder tatsächlich Feuer entfacht. Außerdem: Film ist Film, und das hier ist Realität.
Aber ich habe so schrecklichen Hunger. »Was können wir denn hier essen?«, frage ich Marius.
Der rauft sich die Haare. »Ich würde ja jetzt gern mit dir da vorn um die Ecke gehen in das dort befindliche Restaurant, und dann hätte ich gern ’ne Affenbrotbaumsuppe und dann Hähnchenbrust mit Gemüse und leckere Sahnesoße, aber so wie es aussieht, können wir Sand und Palmenblätter essen, bis es uns zu den Ohren rauskommt!«, zischt er.
»Was kann ich denn dafür?« Ich bin beleidigt. »Du tust ja gerade so, als wäre es meine Schuld.«
»Natürlich ist es nicht deine Schuld, Caro«, sagt Marius beschwichtigend, »aber ich weiß echt nicht, was wir machen sollen.
Hier ist ja nichts. Nichts. Ich bin froh, dass wir Wasser haben.«
Wir stiefeln weiter. Und finden tatsächlich Bananenstauden. Ich bin glücklich wie sonst was. Die Bananen sind kleiner als die, die wir kennen, und schmecken sehr zitronig. Aber lecker.
Marius entdeckt eine Kokosnuss und kriegt sie tatsächlich auf.
Also müssen wir erst mal nicht verhungern. Dann bauen wir uns eine Art Hütte, was mehrere Stunden in Anspruch nimmt, und ich bastle aus Palmenblättern Matratzen. Decken braucht man hier ja zum Glück nicht.
Ich heiße Carolin Schatz, bin 35 Jahre alt und lebe auf einer einsamen Insel.
Am nächsten Tag entwerfen wir nach einem enorm üppigen Frühstück (Bananen und Kokosnuss) einen Schlachtplan, den wir aber schon nach zehn Minuten fertig gestellt haben mit der Erkenntnis, dass wir gar keinen Schlachtplan entwerfen müssen, weil es keinen zu entwerfen gibt. Wir können nur hoffen, dass uns hier irgendjemand findet. Und das möglichst bald. Um mir die Zeit zu vertreiben, gehe ich schwimmen. (»Der Karibikurlaub war super, wir hatten eine Insel nur für uns und haben den ganzen Tag nur so rumgegammelt und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Das würde dir auch mal gut tun.«) Marius versucht derweil, Feuer zu entfachen. Weil ich mir die unglücklichen Versuche nicht weiter anschauen kann, gehe ich nochmal schwimmen und dann nochmal und nochmal. Irgendwann kann ich kein Meer mehr sehen. Ich werde depressiv. Ich möchte nach Hause. Ich möchte in die Zivilisation. Ich möchte einen Kaffee. Ich will zu Gero und Richard und fernsehn.
Die Tage vergehen, ohne dass etwas passiert, Tage, in denen ich mir ernsthaft überlege, schon mal unsere Gräber mit der bloßen
Hand auszuheben, weil ich sonst leider nichts anderes zu tun habe. Marius bringt es zwar fertig, Feuer zu machen, bringt es aber leider nicht fertig, einen Fisch zu harpunieren. Und ich kann so was nicht. Dann doch lieber Bananen. Und Kokosnuss. Ich kann keine Kokosnüsse mehr sehen. Ich will ein Steak mit Kräuterbutter. Und ein Glas Weißwein. Und mal wieder ins Kino. Ob uns zu Hause schon alle vermissen? Wurde womöglich schon eine Traueranzeige geschaltet? Wenn ja, wie sieht die aus?
Watzelborn. Durch einen tragischen Schicksalsschlag wurden Carolin Schatz und Marius Waldenhagen von uns genommen. Wir sind in großer Trauer. Eure Freunde.
Oder:
Watzelborn. Wohnung zu vermieten. Haushaltsauflösung. Klamotten
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