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Glitzerbarbie

Glitzerbarbie

Titel: Glitzerbarbie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi Wolff
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Konzept erklärt. Ein Stab von Mitarbeitern denkt sich ständig neue Sachen aus, um die armen Opfer möglichst willenlos zu machen. Bestimmt sind Drogen im Spiel. Aber ich frage besser nicht. Sylvester meint, die Sendung solle »Drunter und drüber« heißen, das sei zweideutig. Wegen der chaotischen Situationen, die entstehen können, und
wegen der Beischlafstellungen. Ach. Ich finde den Sendungsnamen total bescheuert. Aber natürlich werde ich nicht gefragt. Meine Aufgabe ist es, mit dem Partner, der die Treue testen lässt, auf Stühlen zu sitzen und mitzufiebern. Und dann, wenn die Katastrophe passiert ist, zu trösten. Oder Morde zu verhindern.
    »Sex sells«, schwadroniert Felix. »So was gab es noch nie!« Meinetwegen. »Caro muss dann aber auch entsprechende Klamotten haben. Wer solch eine Sendung moderiert, muss Sünde und Sex ausstrahlen! Wir müssen das hinkriegen!«
    Aha. Aha. Ich habe also keine sexuelle Ausstrahlung. »Wie meinst du das, Felix?«, frage ich böse.
    Er grinst: »Na ja, ich meine damit, dass bei dir noch einiges rauszuholen ist. Wir sollten bei Caro über eine Brustvergrößerung nachdenken«, sagt er in Sylvesters Richtung.
    Der nickt. »Habe ich auch schon überlegt. Angela hat das auch machen lassen, da gibt es doch jetzt solche Gelpads, die man einsetzen kann. Das hat Silikon gegenüber den Vorteil, dass man nicht gleich eine Vergiftung bekommt, wenn eine Katze oder so dir die Bluse aufreißt.«
    Ich glaube, ich bin im falschen Film. Ich soll also zu Dolly Buster oder Gina Wild gemacht werden. Bevor ich protestieren kann, schwafelt Felix weiter. In vier Wochen soll die erste Sendung sein. Alle haben schon mächtig vorgearbeitet, es wurden Aufrufe gemacht, und es sind massig Bewerbungen eingegangen.
    »Hier«, Felix wedelt mit einem Brief. »Ein Elektriker aus Mönchengladbach glaubt, dass seine Frau ihn nie betrügen würde.
    Dem werden wir es zeigen. Sie geht einmal pro Woche mit ihren Freundinnen zum Kegeln und danach noch in eine Kneipe. Der Elektriker möchte die Gewissheit haben, dass das auch stimmt, obwohl er nicht glaubt, dass sie lügt. Wie machen wir das?«
    »Wir könnten John vor den Kegelclub stellen und ihn die Frau
fragen lassen, ob sie ihm wohl Geld wechseln kann«, sagt einer aus dem Team. »Und dann sagt John, wie unglaublich anregend er ihre Fingernagelform findet!«
    »Halt«, werfe ich ein. »Was ist, wenn die Frau an den Nägeln knabbert oder womöglich überhaupt keine Hände hat?« »Stimmt«, Felix kratzt sich am Kopf. »Dann kann sie ihm ja auch kein Geld wechseln.«
    Es stellt sich dann heraus, dass die Redaktion an solche Dinge überhaupt nicht gedacht hat. Also muss alles bei den bereits eingeladenen Gästen überprüft werden. Je nach Idee natürlich.
     
    Dann kommt eine von den so genannten »Lockvögeln« dazu. Ich hasse sie, ohne ein Wort mit ihr gesprochen zu haben.
    Sie heißt Daphne, hat hüftlange, lackschwarze Haare (echt lackschwarz, noch nicht mal gefärbt, das sehe ich sofort) und knallgrüne Augen (echt knallgrün, noch nicht mal farbige Kontaktlinsen, das sehe ich sofort). Aber jetzt kommt das Allerschlimmste: Daphne hat ein wenig Übergewicht, und es passt zu ihr. Sie hat eine solch erotische Ausstrahlung, dass, wäre ich ein Mann, ich unverzüglich über sie herfallen würde. Sie sieht aus wie Anna Nicole Smith auf diesem Poster in Strapsen. Für H&M war das. Männer bauten an Kreuzungen Unfälle. Ich glaube, H&M ist an vielen gescheiterten Ehen schuld. Ich selbst möchte auch nicht samstags nach dem Wochenendeinkauf neben meinem Mann im Auto sitzen und vermuten, dass er zwei Ananas geklaut und sich in die Cordhose gesteckt hat, während ich mich frage, ob unser Auto kein Benzin mehr hat oder warum er bei Grün nicht weiterfährt.
    Ich bekomme einen Depressionsschub, weil ich nicht so aussehe wie Daphne.
    Hoffentlich hat sie wenigstens verfaulte Zähne. Daphne kommt auf mich zu.
    »Ich bin Daphne«, strahlt sie mich an und schüttelt mir mit kräftigem, aber nicht zu kräftigem Händedruck die Hand. Ihre Zähne sind weiß und makellos. Sie muss schon eine Spange getragen haben, bevor sie überhaupt Zähne bekommen hat, um einer Kieferverformung vorzubeugen. Sie hat auch noch eine schöne Stimme. Tief, verrucht, sündig. Ich möchte Daphne unschädlich machen. Aber devot wie ich bin, schüttle ich ihr die Hand und sage: »Ich freue mich sehr, dich kennen zu lernen.« Sie mustert mich von oben bis unten, und ich weiß genau, was sie denkt:

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