Glitzerbarbie
»Arme Kleine. Sie haben mir alles über dich erzählt. Tja, so ein Single-Leben ist gar nicht so einfach, aber mach dir nichts draus. Anderen geht es eben besser als dir. Und nicht jeder kann alles haben.«
Ich grinse sie dumm an und wünsche mir nur, dass sie endlich weggeht. Aber Daphne bleibt. Natürlich, warum sollte auch einmal in meinem Leben ein Wunsch von mir in Erfüllung gehen? Ich hasse sie so sehr, dass ich Sodbrennen bekomme. Das ist ganz schrecklich mit meinem Sodbrennen, wenn es einmal angefangen hat, hört es nicht wieder auf. Ich muss rülpsen wie eine Bauernmagd, die sich regelmäßig nach dem Melken einen Obstbrand genehmigt und dadurch versucht, ihren Frust darüber zu verdrängen, dass der Sepp aus dem Dorf seinen Traktor wichtiger findet als sie. Um ganz ehrlich zu sein, ich fühle mich wie eine Bauernmagd und hätte gern einen Obstbrand. Wenn man es ganz genau nimmt, habe ich auch schon die richtige Figur für eine Bauernmagd. Und schwielige Finger habe ich
auch bald, wenn ich nicht aufhöre, nachts an meinem Knubbeltuch zu schubbern. Ich werde mich Senta oder Hilde nennen und auf einem Resthof im Allgäu leben. Ohne Mann, ohne Kind, aber mit ganz vielen Kühen, die ununterbrochen am Muhen sind, weil ich mit der Melkmaschine nicht zurechtkomme und die Kühe mit den Händen melken muss. Auf einem Melkschemel,
mit dem ich ständig unter dem Euter umkippe, um dann im kuhfladengeschwängerten Mist zu landen. Wo ich ja schließlich auch hingehöre. Mein Schuhtick wird sich auf ein Paar stinkender Gummistiefel beschränken, und abends schaue ich mir in einem Landwirtschaftsreport an, wie ich höhere Preise für die Milch erziele und wie viel vom Resthof ich von der Steuer absetzen kann. Sex werde ich nie mehr haben, weil ich abends viel zu müde bin, um im Dorf nochmal auf Männerjagd zu gehen. In meiner Verzweiflung werde ich mir drittklassige Pornos ausleihen, weil es im Allgäu keine anderen gibt. Dann sitze ich mit einer Flasche lauwarmem Erdbeersekt vor dem Videorekorder und schaue mir den Schulmädchen-Report Teil 2 an, um mich erschüttert zu fragen, welche Unterleibskrankheit die Darstellerinnen haben: Um dann festzustellen, dass in den siebziger Jahren eine Menge Schamhaare einfach unglaublich erotisch waren. Ich werde einschlafen, ohne über einen Orgasmus überhaupt nur nachzudenken. Weil ich ja auch morgen die Kühe ...
»Caro, was ist denn? Warum antwortest du denn nicht?« Sylvester klingt böse. Ich habe offenbar minutenlang überhaupt nicht zugehört. »Wir werden das Konzept nochmal überarbeiten und nächste Woche eine Probesendung produzieren. Wir haben genug Kandidaten, um das Ding durchzuziehen. Du hast heute Nachmittag einen Termin bei Doktor Prischel, er ist Schönheitschirurg und schaut sich mal deine Oberweite an!«
»Ich werde dich begleiten«, gurrt Daphne neben mir. Sie riecht auch noch gut. Das ist Shalimar von Guerlain. Steht nicht jeder Frau, dieser sinnliche, verführerische Duft. Aber Daphne steht er natürlich. Daphne steht nämlich alles.
»Ich gehe zu keinem Schönheitschirurgen«, zische ich böse in die Runde.
»Carolin«, jetzt ist Felix wieder der Chef-Producer, der ja nur das Beste für mich will. »Es kommt einfach beim Zuschauer besser rüber, wenn du eine Mega-Oberweite hast. Die werden dich lieben! Die werden total geil auf dich sein! Das gibt Quote. Allein die engen Oberteile, die du dann anziehst und die in der Kamera total klasse rüberkommen. Ich denke, die doppelte Größe deiner jetzigen Brüste wird dir enorm gut stehen!«
Wie immer in solchen Situationen – also wenn ich einmal gegen etwas war und mich dann jemand versucht zu überzeugen – finde ich keine Worte mehr, die zu meiner Verteidigung beitragen. »Mmpff«, knurre ich herum.
»Um sechzehn Uhr gehst du da hin«, schnaubt Sylvester. »Die Rechnung geht direkt an Strawberry!«
Aha. Wahrscheinlich denkt er, ich würde sofort die Operation durchführen lassen. So mal eben mir nichts, dir nichts. Um dann vom ungewohnten Gewicht meiner neuen Mega-Titten sofort vornübergezogen zu werden und mit einem lauten Schrei auf den Asphalt aufzuknallen. Meine neuen Titten werden aufplatzen, der Inhalt verteilt sich über einen Zebrastreifen, und zu allem Überfluss wird mich auch noch ein Radfahrer anfahren, dessen Einkäufe sich mit dem Silikon vermengen werden. Zum Glück gibt es gute Haftpflichtversicherungen. Und Gelpads.
Daphne beteuert nochmals, dass sie mich begleiten wird. Aber es
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