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Glitzerbarbie

Glitzerbarbie

Titel: Glitzerbarbie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi Wolff
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singen. Was mich gar nicht wundert ist die Tatsache, dass niemand vor der Kurmuschel auf Bänken sitzt und ihm zuhört. Er brüllt einsam und allein »We all live in a yellow submarine« in das zerrende Mikrophon, um dann »Und jetzt alle!« zu kreischen.
    Roland ist außer sich. »Dieses Arschloch zerstört die ganze Abendstimmung«, blökt er herum. »Da darf man hier nicht Rad fahren und Ball spielen, aber dann kommt so ein Schwachmat und sprengt einem den Gehörgang. Halt die Klappe!«, brüllt er in die Richtung der Kurmuschel, was den Barden nicht weiter stört. Er deutet Rolands Gebrüll fälschlicherweise als Anfeuerungsrufe und dreht nun völlig durch. Ein neuer Playback-Titel läuft an, zu dem der Barde lauthals mitkrakeelt: »Wir haben Hunger Hunger Hunger, haben Hunger Hunger Hunger, haben Hunger Hunger Hunger, haben Durst! Wiiiir wollen essen essen essen, wollen essen essen essen, wollen essen essen essen, wollen essen! Und jetzt alle!«
    Roland ist rot im Gesicht. Ich bekomme schreckliche Angst. Was ist denn los mit ihm? So aggressive Menschen mag ich gar nicht leiden.
    »Wenn dieser Vollidiot jetzt nicht sofort die Schnauze hält, schneide ich die Kabel von dieser Scheiß-Anlage durch!« Er bewegt sich mit drohender Haltung in Richtung Kurmuschel.
    Gleich wird es ein Scharmützel geben.
    Der Barde ist mittlerweile bei Wolfgang Petrys »Hölle Hölle Hölle« angelangt, und ein Ende ist nicht in Sicht. Im nächsten Augenblick ist Ruhe im Karton. Der Barde singt noch eine Sekunde solo weiter und verstummt dann. Roland kommt grinsend hinter der Kurmuschel hervor. Er hat tatsächlich die Kabel durchgeschnitten oder aus der Dose gezerrt oder sonst was.
    Zwei Sekunden später bricht das Chaos aus. Der Barde erkennt Roland als den Übeltäter und springt direkt aus der Muschel auf
seinen Rücken. Von irgendwoher kommen Touristen und versuchen, den Barden von Rolands Rücken zu ziehen, an dem er sich wie ein Affe festgeklammert hat. Ich schreie nur »Hilfe, Hilfe! So tut doch jemand was!«, und eine Frau ruft: »Vorsicht, die Kinder!« Roland strauchelt mit dem Affen über die am Boden liegenden Kabel und rennt Richtung Wasser. Ich renne hinterher. Während Roland mit dem Affen auf dem Rücken in die Nordsee springt, ruft der: »Neiiin! Ich kann nicht schwimmen!« Nachdem der Barde mit einer Leine und einer Rettungsweste zurück auf die Insel gezogen wird, kündigt er seinen Vertrag mit der Kurverwaltung fristlos und verkündet, am nächsten Tag sofort abzureisen, um Roland daraufhin zu verklagen. Der grinst nur. »Genauso wollte ich es haben. Ist die Ruhe hier nicht göttlich, Caro?«
    Eines weiß ich sicher: Langweilig wird es mir mit Roland Dunkel nicht werden. Obwohl ich mir langsam nicht mehr sicher bin, ob ich mit einem Menschen zusammen sein will, der bei der kleinsten Kleinigkeit ausflippt, handgreiflich wird und dabei auch noch so rot im Gesicht.
     
    Wir bestellen uns Weißwein. Nach acht Weißwein kann ich sogar darüber nachdenken, was passiert, wenn das mit Roland und mir nicht klappt. So ein Single-Dasein ist bestimmt auch lustig. Ich könnte auch so tun, als sei ich gar kein Single, und mir eine männliche Schaufensterpuppe kaufen. Die würde ich dann Siegfried, Moritz oder Ismail nennen, je nach Stimmung, und ihr nette Sachen anziehen. Ismail ist ein guter Name. Wenn ich abends nach Hause komme, sage ich »Hallo Liebling« und bilde mir ein, eine Antwort zu bekommen. Ismail wird mir nie Widerworte geben, sondern mich immer nur mit leerem Blick anstarren. Ich sehe mich schon mit Ismail am Esstisch sitzen und Spaghetti Bolognese essen. Weil Ismail ja eine Schaufensterpuppe
ist, kann man die Essensreste an seinem Plastikmund leicht entfernen. Ein herrliches Leben wäre das mit Ismail. Ich glaube, ich bin nicht mehr ganz dicht. Wenn das so weitergeht, mutiere ich zu Norman Bates und nenne Ismail »Mutter«. Aber erst, nachdem ich Ismail eine graue Perücke mit Dutt gekauft habe. Sicher werden sich irgendwann Flöhe oder Milben in der Perücke festsetzen. Ich glaube, langsam aber sicher drehe ich völlig durch. Außerdem bin ich betrunken. »Wollen wir nicht zur Hochzeit von Marius und Uschi gehen?«, lalle ich sturzbetrunken.
    Roland ist nicht weniger betrunken als ich und sabbert:
    »Klllarr. Warrrum’n nich?«
    Wir schlafen kurze Zeit später auf dem Tisch der Kneipe ein.
    Unsere Köpfe liegen dicht nebeneinander.
     
    Am nächsten Morgen sind wir beide total gerädert. Ein Kellner hatte uns mit

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