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Glockenklang von Campanile

Glockenklang von Campanile

Titel: Glockenklang von Campanile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Gordon
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gerade noch rechtzeitig vor Heiligabend an.”
    “Du kehrst in eine leere Wohnung zurück, wo niemand ist, wenn irgendetwas passiert. Und du ziehst das vor, anstatt bei deiner Familie zu sein, bei einem Mann, der dich liebt. Vielen Dank!”
    Aber ihm sank das Herz, während er sprach. In ihrem Gesicht sah er Kummer, aber keine Spur von Nachgiebigkeit.
    “Ich bringe dich zum Hotel”, sagte er mit einem Seufzer.
    Francesco bestand darauf, sie auf ihr Zimmer zu begleiten und dazubleiben, bis sie im Bett lag.
    “Du bist müde”, sagte er. “Wir waren zu lange unterwegs.”
    “Mir geht es gut, wirklich. Ich esse noch einen Happen, und dann gehe ich sofort ins Bett. Könntest du vielleicht beim Bahnhof anrufen und dich erkundigen, ob morgen Mittag ein Zug fährt?”
    Natürlich tat er ihr den Gefallen. Es gab einen Zug, also ließ er für Sonia einen Sitzplatz reservieren.
    “Ich komme morgen früh vorbei und bringe dich zum Bahnhof.”
    “Wenn du es wirklich willst …”
    Er fluchte. “Nein, das will ich nicht”, sagte er verbittert. “Du weißt, was ich will. Davon abgesehen lasse ich dich dein Gepäck garantiert nicht allein dorthin schleppen. Ich bin um halb elf hier.”
    Die nassen Gehwegplatten schimmerten im Licht der Straßenlaternen, als er schweren Schrittes das Hotel verließ. Er ging unbewusst langsamer, bis er merkte, er wollte nicht in seine leere Wohnung zurück, wo ihn doch nur die Erinnerungen an eine zauberhafte Zeit quälen würden …
    Er überließ es seinen Füßen, den Weg zu wählen, und sie trugen ihn zu der kleinen Kapelle von San Michele. Sie war leer. Francesco zündete eine Kerze an, ließ sich müde auf die harte Holzbank sinken und schaute hinauf zu der rundlichen Madonna mit dem freundlichen Gesicht und dem fröhlichen Kind auf dem Arm. Er dachte an sein eigenes Kind, dessen Lachen er niemals hören würde, und schloss die Augen.
    “Wenn ich immer noch an Wunder glaubte, würde ich um ein einziges bitten … nur ein klitzekleines …”
    Schließlich öffnete er die Augen wieder. Es war still in der kleinen Kapelle. Als er hinaufschaute zur Madonna, wirkte sie seltsam schäbig. Nun, sie war ja auch nur aus Holz. Plötzlich kam er sich dumm vor.
    Zögernd erhob er sich und fragte sich, was nur in ihn gefahren war. Er war ein erwachsener Mann und die Zeit für Wunder längst vorbei.

6. KAPITEL
    S onia hatte sich vom Zimmerservice etwas zu essen bringen lassen. Sie verspürte zwar kaum Appetit, wusste aber, sie brauchte ihre Kräfte für die Anstrengungen der Reise. Sie aß so viel sie herunterbrachte, dann setzte sie sich ans Fenster, versuchte genügend Energie zu sammeln, um sich auszuziehen und ins Bett zu gehen.
    Aber nicht ihre körperliche Müdigkeit machte ihr Sorgen, sondern ihre innere Rastlosigkeit. Es gab noch eine unerledigte Sache, die sie erst abschließen musste, ehe sie Venedig für immer verließ. Entschlossen erhob sie sich, zog sich ihren Mantel an und verließ das Hotel. Schneeflocken rieselten sacht aus den grauen Wolken, verdichteten sich zu einem wogenden weißen Vorhang, und bald sah man kaum mehr die Hand vor Augen. Aber Sonia kannte die Straßen Venedigs wie eine Venezianerin und fand mühelos den Weg zum Krankenhaus.
    “Ich bin Signora Bartinis Schwiegertochter”, erklärte sie der Dienst habenden Schwester. “Darf ich mich vielleicht ein wenig zu ihr setzen?”
    “Sie schläft”, erwiderte die Schwester zögernd.
    “Ich werde sie bestimmt nicht stören.”
    Giovanna lag mit geschlossenen Augen da, und ihr Gesicht schien seltsam eingefallen. Sonia setzte sich leise auf den Stuhl neben ihrem Bett und nahm die dünne Hand der alten Frau. Sofort umschlossen Giovannas Finger ihre Hand, und sie rührte sich, wachte aber nicht auf. Sonia saß ganz still da.
    Nach einer Weile schlüpfte die Schwester leise mit einer Tasse Kaffee herein.
    “Entschuldigen Sie, Signora”, flüsterte sie, “aber dürfte ich Sie fragen, wie Sie mit Vornamen heißen?”
    “Sonia.”
    “Oh.” Die Schwester war sichtlich enttäuscht. “Ich dachte, Sie wären vielleicht Maria.”
    Sonia war auf einmal hellwach. “Warum fragen Sie?”
    “Mitunter ist sie verwirrt und spricht viel von einer Maria, aber man kann schwer sagen, welche sie damit meint.”
    “Welche?”
    “Manchmal ist klar, sie spricht von ihrer Tochter, dem kleinen Mädchen, das als Baby starb. Einmal hat sie mir ein Bild von dem Kind gezeigt. Noch nach fünfzig Jahren erinnert sie sich an das arme Ding,

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