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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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essen sollen, doch hielt ich sie für frisch.«
    »Wir haben unsere Fleischerei bereits verständigt. Desgleichen die Hofküche und alle, die mit der Lagerung von Vorräten zu tun haben.«
    »Dann wurden sie nicht vorsätzlich vergiftet?« Die Gräfin entzog Lord Rhoone ihre Hände und blickte angelegentlich zu dem umlaufenden Gemäldefries zwischen Wandvertäfelung und Deckenstuck auf: Cupido und Psyche, Jupiter und Semele, Titania und der Weber, Leda und der Schwan, alle in einem schweren, etwas überladenen Stil, der einem chaotischen Geist keinen Trost zu spenden vermochte.
    »Der Augenschein spricht dagegen«, sagte Lord Rhoone, in der Mitte zwischen aufmunternder Königin und verzweifelnder Gräfin, bemüht, gleichzeitig zu beschwichtigen und beschwichtigt zu werden. »Wenn Ihr erlaubt, Majestät, möchte ich zu den Meinen zurückkehren.«
    »Dürfen wir diesen Seher kennenlernen und belohnen?« frag
    te die Königin lächelnd, als Lord Rhoone das Knie beugte. Lord Rhoone stand auf und kratzte sich am Kopf. »Er ist fort – vielleicht in seine eigene Sphäre zurückgekehrt. Er blieb nicht da, um unseren Dank abzuwarten. Ein guter Mann. Ein wahrer Jünger des Asklepios.«
    Die Königin runzelte die Stirn. »Hoffen wir, daß er wieder
    kommt. Ich werde mit Dr. Dee sprechen. Wir wollen ihn einladen, Una.«
    »Ich werde noch in dieser Stunde mit Dr. Dee sprechen, Ma
    jestät«, versprach ihre Privatsekretärin, dankbar für die zugewiesene Aufgabe.
    Lord Rhoone verneigte sich zweimal, während ein Lakai hin
    ter ihm die Tür öffnete und dann wieder schloß. Die zwei Frauen waren allein im Salon.
    Gloriana stand auf und kam zu ihrer Vertrauten. Auch sie schien abgespannt. »Die Aufregung hat dir die Stimmung verdorben«, sagte sie zu Una. »Aber wir wollen uns freuen, daß alles gut ausgegangen ist.«
    Zuviel Vornehmheit überall, dachte Una, hat übermäßig ver
    feinerte Empfindlichkeiten geschaffen, wie scharf gespannte Saiten, die allzuleicht reißen. Dennoch konnte sie der Königin ihre Befürchtungen nicht anvertrauen, beruhten sie doch überwiegend auf Spekulation. So antwortete sie: »Das ist wahr, Majestät. Der Vorfall hat mich mehr mitgenommen, als ich zunächst glaubte.«
    »Du tätest gut daran, dich wieder schlafen zu legen. Es ist meine Absicht, das gleiche zu tun. Meine Nacht … nun gut.« Ihre Haltung straffte sich: ein weiterer Trunk aus der Lethe. Una hatte kein Mitgefühl mehr. Ihre Ängste um die Rhoones hatten sie erschöpft, und sie fühlte sich unfähig, die Königin zu trösten, mochte sie auch der Mensch sein, der ihr auf der Welt am nächsten stand. Es war das Beste für sie, wenn sie ginge, denn sie fürchtete, daß ihre Stimmung die Königin anstrengte. »Ich werden Euren Rat befolgen, Majestät. Ich danke Euch und hoffe, wir werden bis zum Nachmittag beide erholt sein. Dann werde ich mich bei Dr. Dee erkundigen und diesen ausländischen Philosophen aufsuchen. Wenn ich kann, werde ich ihn zu Euch bringen. Ohne Verzug.«
    »Vielleicht können wir ihn ermutigen, einige von unseren anderen Geheimnissen aufzuklären«, sagte Gloriana in einem Ton, als mache sie sich ernstlich Hoffnung. Sie küßte die Gräfin, und sie trennten sich.
    Auf dem Rückweg zu ihrer Wohnung bemerkte Una von Scaith, wie erleichtert und fröhlich die allgemeine Stimmung in den Audienzsälen und Korridoren des Palastes war, und sie wünschte sich, daß sie an der Atmosphäre teilhaben könnte; sie widerstand ihrem Verlangen, alle vor der Gefahr zu warnen, die sie nicht benennen konnte, die nach ihrem ahnungsvollen Gefühl jedoch den ganzen Hof bedrohte. Sie sah den äußeren Palast als die Oberfläche eines lieblichen, sonnenbeschienenen Teiches, in dem farbenfrohe kleine Goldfische schwammen, ohne von dem Räuber zu ahnen, der ungesehen in verkrauteten Tiefen lauerte.
    Nun, da Rücksicht und Mitgefühl ihr verwehrten, Lord Rhoone um Mithilfe beim Aufstöbern des Ungeheuers zu ersuchen, sah sie sich in einer schwierigen Lage, denn sie scheute sich, anderswo Verbündete zu suchen; sie wußte keinen, auf dessen Stillschweigen sie in dieser Situation vertrauen konnte. Und Verschwiegenheit, mochte sie auch mehr zerstören als sie schützte und ihrem Temperament ohnedies verhaßt sein, war vonnöten, bis Tallows Mörder – der auch Lady Marys Mörder war, dessen war sie gewiß – identifiziert wäre. Sie brauchte unanfechtbare Beweise und das Wissen, wo man losschlagen mußte, sonst würde er in diesen geheimen,

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