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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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flüchtig.« Sie bemerkte Lady Lysts Gesichtsausdruck und fügte eilig hinzu: »Ich habe ihn nicht eingeladen. Er muß sich eingeschlichen haben. Dann wurde er im Garten ermordet, oder in einem der Fluchtgänge in den Wänden. Wenn der Palast nicht von neuem in Aufregung und Verwirrung geraten soll, müssen wir den Leichnam verstecken.«
    »Ihr habt nicht … in Notwehr gehandelt?« fragte Wheldrake. »Wäre er durch meine Hand ums Leben gekommen, Sir, so
    hätte ich es gesagt«, versetzte die Gräfin scharf. »Ich bitte um Entschuldigung.«
    »Ich werde Hilfe brauchen, um ihn zu begraben. Ich dachte an die verwilderten Gärten. Kennt Ihr euch dort aus? Nahe den ausländischen Gesandtschaften.«
    »Jetzt?« Meister Wheldrake warf der von Schluckauf geplagten Lady Lyst einen zweifelnden Blick zu.
    »Es muß sein. Ihr wißt, welche Folgen Lady Marys Tod hatte. Argwohn, Mutmaßungen, Gerüchte von Racheakten und dergleichen. Lassen wir es damit genug sein. Wenn Tallow, der tote Mann, begraben ist, wird man ihn nicht vermissen. Und ich versichere Euch, es gibt keine Möglichkeit, den Mörder zu entdecken.«
    »Dann war er eine Art von Dieb, wie?« sagte Wheldrake. »Aus einer von diesen Tavernen …«
    Die Gräfin wußte, daß Wheldrake in den Tavernen am Fluß verkehrte. »Einer von der Sorte«, sagte sie. »Ein Bote. Er brachte mir gelegentlich Nachrichten. Ihr werdet mir vergeben, wenn ich nicht mehr sage.«
    »Gewiß, Milady.« Wheldrake hielt sie fälschlich für eine Nachtschwärmerin seines Schlages und war froh, ihr Diskretion bezeigen zu können. »Kommt, Lady Lyst, laßt uns mit der Gräfin gehen.« Lady Lyst erhob sich wankend. »Geht voraus.«
    Nur die ersten Schritte mußte sie gestützt werden, dann hielt sie sich wieder sicher auf den Beinen, beinahe nüchtern, wie es schien.
    Sie schlüpften in die Wohnung der Gräfin, und Una zeigte ihnen das blutgetränkte Laken, in welches Tallow eingeschlagen war. »Wir müssen ihn tragen. Ihr und ich, Meister Wheldrake. Lady Lyst, Ihr nehmt die Laterne.«
    Von ihrem Kissen miaute die Katze. Una ging zu ihr, beugte sich über sie und untersuchte die Wunde. Sie ging nicht allzu tief und würde rasch heilen. Das Tier schien seinen Herrn bereits vergessen zu haben; jedenfalls unternahm es keinen Versuch, sich dem Leichnam seines toten Herrn zu nähern. Tallow wog nicht viel. Der kleine Dichter nahm ihn bei den Füßen, und Una faßte ihn unter den Schultern. Sie verließen die Wohnung durch die äußere Tür und trugen den Toten im Mondschein zu den verwilderten alten Gärten, die Tallow noch vor wenigen Monaten von dem Balkon aus überblickt und dort Oubacha Khan und die Gesandtin Yashi Akuya im Gespräch gesehen hatte.
    Verspätet bemerkte Una, daß sie keinen Spaten hatten. Aber Wheldrake zeigte zum bröckelnden, bewachsenen Rand eines alten Brunnens, und der arme, kleine Tallow wurde in den Brunnenschacht gestürzt, worauf die drei noch eine Weile schnaufend an der niedrigen Einfassungsmauer lehnten, in Sorge, daß man sie gesehen haben könnte. Aber kein Lichtschimmer drang von den Palastfenstern herüber, und alles blieb still und wie leblos. Flüsternd und stolpernd kehrten sie auf einem Umweg, der sie durch die Teile der Gärten führte, wo das Gesträuch am dichtesten war, zur Wohnung der Gräfin zurück.
    »Ich danke Euch, Meister Wheldrake, und Euch, Lady Lyst«, sagte Una. »Es war notwendig, neues Aufsehen und neue Unruhe zu verhüten.«
    Lady Lyst setzte sich auf das Bett und streichelte vorsichtig die Katze. »Wie kam er hierher?« fragte sie. »Überall ist eine Menge Blut. An Euch, am Bett, auf dem Teppich.«
    »Ermordet, als er eine Botschaft überbrachte«, sagte Una. Sie war froh, daß die beiden glaubten, sie habe einen Liebhaber in der Stadt. »Irgendein Halsabschneider hatte es auf seine Börse abgesehen.«
    »Und sie gefunden«, sagte Wheldrake. »Denn er hatte keine bei sich, wie ich fühlen konnte. Und keine Waffe, ausgenommen den Dolch im Rücken. Der arme Teufel.« Er wurde nachdenklich. »Wißt Ihr genau, daß der Mord nicht im Palast verübt wurde, Gräfin? Es gibt Spekulationen, nach denen Lady Marys Mörder sich noch immer frei unter uns bewegt. Und Sir Thomas Perrott? War dieser Bote von Euch der Mörder? Hat Sir Thomas ihn überrascht?«
    »Um solchen Spekulationen zuvorzukommen, erbat ich Eure Hilfe, Meister Wheldrake«, sagte die Gräfin von Scaith. Er lächelte. »Vergebt mir.«
    Lady Lyst atmete schwer, als wäre ihr gerade erst

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