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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Möglichkeit geben. Ich habe bereits davon gesprochen. Es würde Euch und mir ein großes Opfer abverlangen.«
    »Ich bin bereit, das Opfer zu bringen«, sagte sie. »Ich muß es
tun.«
»Später«, sagte er.
    Er war verblüfft von seinem Erfolg. Er fühlte sich bezwungen. Am Morgen konnte Prinz Sharyar benachrichtigt werden, und dann würde der Großkalif die Themse heraufgesegelt kommen, um Gloriana und Albion zu retten und die Perrotts zu zerschmettern. Sein einziges Empfinden war Enttäuschung, sogar Furcht, und wieder vermochte er für den Ursprung dieser ungewöhnlichen Emotion keine Erklärung zu finden. Als er sie zum Schlafgemach geleitet hatte, fragte er mit leiser, verwunderter Stimme: »Warum vertraut Ihr mir jetzt? Ich bin ein erwiesener Lügner und Verräter.«
    Und sie erwiderte sehr kühl: »Ich vertraue dir, soweit es
    Montfallcons Arbeit betrifft. Wen sonst gibt es?«
    Was Kapitän Quire einen gelinden Schauer über den Rücken gehen ließ und ihn bewog, sich einen anderen Schlafplatz zu suchen.

    Am nächsten Morgen hielt sie das zweite Mal offiziell hof. Mehr Gesandte wurden in Audienz empfangen, mehr Nachrichten gesammelt, während Quire in seinem verschossenen Schwarz neben dem Thron stand, in Konferenz mit der Königin, wann immer sie allein waren. Langsam, aber mit wenig Freude an dem, was er tat, manipulierte er sie zu einer Entscheidung, wenn er auch die Lösung, die er bereits angedeutet hatte, nicht offen aussprach. Dr. Dee wurde gerufen, ließ aber wissen, daß er krank sei und nicht kommen könne. Und weder Oubacha Khan noch Sir Orlando Hawes konnten ausfindig gemacht werden.
    »Gut«, sagte sie, als alle vorgesprochen hatten; als Sir Pal
    freyman zu energischem und bedingungslosem Krieg gegen alle Feinde auf einmal geraten hatte, als eine Abordnung von Adligen sie gebeten hatte, den Perrotts Nachricht zukommen zu lassen, daß man die Mörder ihres Vaters gefunden habe; als alle Stimmen und alle Meinungen gehört worden waren: »Was muß ich tun, Kanzler Quire?«
    Er zögerte, und nicht um des dramatischen Effekts willen. Aus anderen, geheimnisvolleren Gründen fiel es ihm schwer zu sprechen. Schließlich sagte er: »Es gibt nur eine Entscheidung, welche die Welt retten und Albion vor dem Krieg bewahren wird.« Seine Stimme war belegt. Er befeuchtete sich die Lippen. »Vorwärts!« sagte sie.
    Er blickte ihr in die Augen, aber sie wich dem Blick aus und starrte über ihn hinweg. »Ich werde nicht gequält sein. Ich sehe Euch an, daß Ihr Eure Meinung bereits gebildet habt, Kanzler.« »Ihr müßt Hassan al Ghafar heiraten.« »Der Adel wird es begrüßen.«
    »Und die Gemeinen.«
    Ein Schatten ging über ihr großes Gesicht und machte es traurig. Ein anderes, kleineres Gesicht schaute für einen Augenblick daraus Quire an und bettelte. Er wandte sich ab. Sie sagte: »Prinz Sharyar soll kommen.«
    »Ich werde ihn selbst herbeirufen«, sagte Quire. Endlich verspürte er eine zumindest momentane Erleichterung, daß alles getan war. Er war seiner Verpflichtung gegenüber Sharyar ledig. Er hatte alles getan, was zu tun er versprochen. Und in seiner Erleichterung war ein Gutteil Müdigkeit, und rasch kam eine unerklärliche Trübsal hinzu. Als er zu den Flügeltüren des Audienzsaales schritt, war die Erleichterung schon verflogen und hatte tiefer Niedergeschlagenheit Platz gemacht.
    Er hatte den Lakaien noch nicht das Zeichen gegeben, die Türflügel zu öffnen, als er von der anderen Seite Geräusche und Unruhe vernahm. Er machte halt und lauschte. Allmählich breitete sich ein Lächeln über sein Züge aus, und eine seltsame Heiterkeit bemächtigte sich seiner. Wenigstens eine der Stimmen erkannte er. Sie verlangte Einlaß.
    »Warum zögert Ihr?« rief Gloriana durch den leeren Saal. Er ging rückwärts in die Richtung des Thrones. »Quire!« rief sie ihn an. »Was ist Euch?«
    Er begann zu lachen. »Ich denke, Ihr seid frei von mir«, antwortete er, sich umwendend. Mit ruhigem Lächeln blickte er in ihre erstaunten Augen. Warum war er froh über diese Wendung? »Und es gibt keinen Vorwand mehr, der den Krieg rechtfertigen könnte. Ich hätte den alten Mann töten sollen. Aber meine Überlegungen waren zu kompliziert und umwegig. Ich sparte ihn auf. Wieder sehe ich mich von den Windungen meines eigenen Hirns betrogen.«
    »Keine Rätsel!« befahl sie. »Wer ist dort draußen?«
    Die Türflügel wurden von außen langsam geöffnet und enthüllten eine Gruppe: Oubacha Khan in tatarischer

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