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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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entschuldigenden Handbewegung ließ sie ihn stehen, schlüpfte wie eine Schülerin, die dem gestrengen Pedell ein Schnippchen geschlagen hat, in ihre Gemächer und ließ die Flügeltüren vor ihrem Wachhund schließen.
    Lady Mary Perrott kam ihr entgegengeeilt. Wie gewöhnlich, sah sie ein wenig müde aus. Gloriana ließ sich in ihr Umkleidezimmer geleiten und hob die Arme. »Befreit mich aus dieser Enge, Mary«, seufzte sie. »Und dann, ich bitte Euch, reibt und knetet mich eine Weile, damit ich die Kälte und die Versteifung aus meinen Gliedern bringe.«
    Lady Mary nahm ihr die Krone ab und winkte den Kammerjungfern, daß sie die Königin entkleideten. Ihr eigenes Kostüm lag neben demjenigen der Königin bereit, sie sollte als eine Walküre gehen, während ihr anstrengender Liebhaber Sir Tancred als Baidur ging.

    In ihre Wohnung zurückgekehrt, bewunderte die Gräfin von Scaith das juwelenbesetzte Kästchen, welches ihr zugestellt worden war. Sie las das eigenhändige Billett des Kalifen Hassan al Ghafar, das drin gelegen hatte. Darin dankte er ihr für ihre Gefälligkeiten und Artigkeiten (sie vermochte sich an keine zu erinnern) und ersuchte sie, ihn bei der Königin mit den allerbesten Empfehlungen in Erinnerung zu bringen. Una schüttelte gedankenvoll den Kopf, während ihre Zofen sie auskleideten, und überlegte, ob sie die Königin ohne Verzug von dieser Entwicklung unterrichten oder die Geschichte auf sich beruhen lassen sollte, bis sie Gelegenheit zu einem ungestörten und von keinen unmittelbaren Verpflichtungen überschatteten Zwiegespräch hätten. Schließlich entschied sie sich
    für den letzteren Weg.
    Sie ließ neue Holzscheite ins Kaminfeuer legen und zog sich im Hemd, frei von allen beengenden Kleidern, auf ihre Ottomane zurück, nahm eine weitere Tabakspfeife und überflog Meister Wheldrakes Eröffnungsverse für das Maskenfest.

    Herabgebrannt des Jahres Feuer; Der Wind bläst in die Aschenglut, Zerzaust den Efeu am Gemäuer, Schnaubt Schnee in seiner Sturmeswut. Da glüht erst hell des Nordmanns Herz, Mit Freuden, die den Frühling höhnen. Des Himmels Urposaunen dröhnen, Die Seele singt mit diesen Tönen, Und schwingt sich wolkenwärts.

    Die Verse ließen Wheldrakes frühere Fülle und Tiefe ein wenig vermissen, dachte sie, doch mußte man ihm zugute halten, daß er immer nur widerstrebend für die Hoffestlichkeiten schrieb, und überdies schien es, daß er besonders zerstreut und bisweilen sogar wie von Sinnen war, seit er den größten Teil seiner Zeit mit dieser ruinierten Intelligenz verbrachte, dieser zerbrechlichen und schönen, behexten Lady Lyst.
    Nachdem sie ihre Pfeife geraucht hatte, dachte Una an ihr Kostüm; und mit einiger Anstrengung erhob sie sich von der Ottomane und trat zu dem Schrank, wo sie es verwahrte. Die anderen Nornen, Lady Rhoone und Lady Cornfield, würden erwarten, daß sie rechtzeitig käme.
    Una hielt inne und blickte mit dem bestimmten Empfinden umher, daß sie beobachtet wurde, aber außer ihr selbst und der Katze ihrer Zofe war niemand im Zimmer. Sie blickte zu den Schatten unter der Decke auf, wo ein kleines Gitter die Entlüftungsöffnung verschloß, dann zuckte sie die Achseln und griff zu ihrem Korselett.
    Im großen Festsaal des Palastes, der mit Darstellungen von eisstarrenden Bergen und düster dräuenden Himmeln dekoriert war, nahmen die Teilnehmer am Maskenspiel, gekleidet in Felle, geschmückt mit Bronze und Silber und der ganzen barbarischen Großartigkeit, wie sie den Bewohnern eines sturmumtosten Walhall im hohen Norden eigentümlich gewesen sein mochte, ihre Position ein, während das Publikum, bestehend aus den Würdenträgern, Adligen und ausländischen Gesandten, die vorher der Königin vorgestellt worden waren, in Stuhlreihen saßen. Die Musiker auf der Galerie begannen die von Meister Harvey für den Anlaß komponierte Suite zu spielen, eine tragische Musik voll von sonoren Baßviolen, Luren und Hörnern.
    Die Gräfin von Scaith, in schwarzes Fell gehüllt, hatte bereits ihre düstere Einführung gesprochen und trat zurück, so daß Odin und Freyja in den Vordergrund treten konnten. Der einäugige Odin, mit Augenklappe und breitkrempigem Schlapphut, einen ausgestopften Raben auf der Schulter und einen Gipskopf in der Hand, wurde von einem zögernden, schlecht vorbereiteten Lord Montfallcon gespielt. Königin Gloriana verkörperte Freyja.
    Lady Rhoone als Skal, die Norne der Zukunft, sprach ihre Verse in einer Stimme, die sich mit der

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