Gloriana
Montfallcon räusperte sich vorsichtig. »Ihre Majestät ist beiden Majestäten dankbar …«
Gloriana kam zur Besinnung und nickte. »Albion heißt Euch willkommen, große Könige! Eure Teilnahme an unseren Festlichkeiten ist eine große Ehre für uns.«
Thronsessel für die beiden hohen Gäste wurden herbeigeholt und zur Rechten der Königin und in einem Winkel so aufgestellt, daß keiner Vorrang genoß, und die Gräfin von Scaith mußte lächeln und flüstern und Gastgeberin für die Monarchen spielen, während die Königin ihre übrigen Gäste empfing: Rudolf von Böhmen, den Wissenschaftler auf dem Königsthron und Kasimirs Vasallen; Prinz Alfiero di Medici aus Florenz, ein Jüngling, dessen ritterliche Verehrung für die Königin bekannt war; der aztekische Gesandte Prinz Comius Ceacatl von Chalchihuites (der sich für einen Halbgott hielt, da seine Familie sich vom Regengott Tlaloc herleitete) in einem prachtvollen Federmantel; der Komtur der Ordensritter Persival le Gallois von Britannien; Oubacha Khan, in einer bemalten Rüstung aus Eisen und Pelz, Abgesandter des Tatarenreiches, Prinz Lobkowitz aus der Freien Reichsstadt Prag, in Schwarz und Silber; Prinz Hira von Hindustan, einem Protektorat Albions; Li Pao, Gesandter des Hofes von Cathay, einem weiteren Vasallenstaat; Tatanka Iyotakay, Gesandter der großen SiouxNation, in Adlerfedern und perlenbenähtem Wildleder; die Prinzessin Yashi Akuya, Abgesandte von den Inseln Nippons; Prinz Karloman, Sohn des alten Königs, als Vertreter der Niederländischen Allianz; Graf Rotomondo, Oberherr von Paris; Meister Ernst Scheljanek, Astronom und Physiker aus Wien; Gesandte von Virginia, unter ihnen der hakennasige Lord Kansas und der kleine, rundliche Baron von Ohio, Meister Ishan, der berühmte Mathematiker aus dem tatarischen Protektorat Anatolien; der palästinensische Gelehrte Micah von Jerusalem; der Entdecker Murdoch, Thane von Hermiston, ein weißes Cape nachlässig über seine schottische Nationaltracht geworfen, ein Barett mit weißen Falkenfedern auf dem rotgelockten Haar; und viele andere Würdenträger, Gelehrte, Wissenschaftler, Magier, Astrologen, Alchimisten, Ingenieure, Abenteurer und Heerführer, die länger als eineinhalb Stunden am Thron vorbeidefilierten.
Dann kam das erste Schauspiel bei Fackelschein, als der Eisritter (Lord Gorius Ransley) und der Feuerritter (Sir Tancred Belforest) in voller Rüstung und zu Pferde ein Turnier mitten auf dem gefrorenen Fluß ausfochten. Eissplitter flogen unter den stampfenden Hufen, der Atem der Pferde war wie Dampf aus Drachennüstern, und immer wieder schallte der helle Klang von Metall über die Eisfläche, als die Lanzen auf die Schilde trafen, bis schließlich beide Teilnehmer zugleich aus den Sätteln gehoben wurden.
Über ihnen auf der Böschung stand eine in dem schweren Bärenfellmantel, der sie von Kopf bis Fuß einhüllte, unförmig wirkende Gestalt mit den Ellbogen auf eine Balustrade gestützt, um das Schauspiel zu betrachten. Der geschickt vom Schädel befreite Kopf des Bären bildete eine Kapuze, die das Gesicht des Betrachters größtenteils verbarg. Zuweilen, wenn die prasselnden Flammen, über denen Gänse und Ochsen gebraten wurden, hoch aufloderten, glänzte es in seinen schwarzen, ironischen Augen.
Der Ritter des Feuers sollte nach dem Arrangement den Ritter des Eises besiegen, aber die wackeren Kämpen fielen beide gleichzeitig von ihren Pferden. Der Betrachter lächelte. Nun sah er zu, wie die eislaufenden Hanswurste der Komödie – Harlekin und Pantalone, Cornetto, Isabella und die anderen – zu der lebhaften und bisweilen mißtönenden Musik der fröstelnden Kapelle auf der Plattform ihre grotesken Sprünge, Pirouetten und tolpatschigen Spiele zu treiben begannen, während die Königin in ihrem Pavillon, den Kopf zur Seite geneigt, mit ihren hohen Gästen der Konversation pflog. Pagen mit spitzen Eisen an den Schuhsohlen bewegten sich langsam durch die Menge, beladen mit Tabletts, auf denen Glühweingläser dampften; Köche und ihre Gehilfen schnitten Fleisch von den gebratenen Tieren und bereiteten mundgerechte Portionen; und auf dem jenseitigen Ufer wurde ein riesiges Gerüst errichtet.
Die Gestalt im Bärenmantel verließ ihren Platz und wanderte langsam hinunter, um sich unter die Menge auf dem Eis zu mischen, ein Glas Glühwein in der Hand, und die Kinder der Adligen zu bewundern, die alle als Winterfeen zurechtgemacht waren und den ungeheuren Festtagskuchen auf einer Bahre
Weitere Kostenlose Bücher