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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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augenblicklichen Stimmung imstande war, eine Grafenwürde auf die Schultern des Poeten zu legen, den sie noch vor wenigen Minuten so gründlich durchzuprügeln bereit gewesen war, wie er es sich in seinen geheimsten Gedanken wünschte. So fand Meister Wheldrake mit seinen mittelmäßigen Versen Ehre und verlor die einzige Belohnung, die seine Wertschätzung gefunden hätte.
    Dr. Dee ging vorüber, vertieft in ein Gespräch mit seinem alten Freund, König Rudolf von Böhmen, der die Resultate seiner letzten Experimente erklärte.
    »Und wurde die Transmutation dann erreicht?« fragte er. Una entging nicht der schnelle, verstohlene Blick, den er der Königin zuwarf.
    »Unglücklicherweise war der Erfolg nur ein teilweiser. Das Thema des Maskenfestes erinnert mich an etwas, was ich über die wahre Natur der in den alten Sagas auftretenden Zwerge gelesen habe. Sie waren tatsächlich mächtige Zauberer, ursprünglich nicht auf diesem Planeten beheimatet, die von einer anderen Welt herbeigereist waren und alle alchimistischen Geheimnisse, die sie dort gelernt, mitgebracht hatten. Das ist die Basis unserer eigenen bruchstückhaften wissenschaftlichen Erkenntnis, versteht Ihr? Wenn ihre Schriften gefunden werden könnten – vielleicht irgendwo am Nordpol –, dann würde wahrhaftig ein neues Zeitalter der Menschheitsgeschichte anbrechen. Ich habe drei oder vier Expeditionen ausgesandt, doch ist unglücklicherweise bisher noch keine zurückgekehrt …«
    Die Musik, lebhaft und von eleganter Leichtigkeit jetzt, hatte wieder eingesetzt, und die Teilnehmer am Maskenspiel vereinten sich, noch immer in ihren Kostümen, mit dem Publikum in der Trippe, einer komplizierten Form der Gaillarde, die sich gegenwärtig besonderer Beliebtheit erfreute, aber ganz und gar nicht für jemanden gemacht schien, die als Nome der Gegenwart kostümiert war. Una von Scaith begann sich auf das Festmahl zu freuen.

    Im geräumigen Hof des Wirtshauses Zum Greifen loderte ein prachtvolles Feuer zur Feier des Festtages, heiß genug in seiner Ausstrahlung, um jeden zu erwärmen, der in seinem Umkreis stand. Heiß genug auch, um jene zu wärmen, die auf der Arkadengalerie des Obergeschosses lungerten, Bier auf die Köpfe von Freunden und Feinden gossen und sich über die Possen einer Truppe von Zwergenmusikanten, die um das Feuer paradierten und dazu in einer lärmenden Parodie von Musik auf ihren Fideln kratzten und quietschten, vor Lachen ausschütteten. Die Zecher füllten Wirtshaus und Hof bis in die hintersten Winkel, fühlten nach den Teilen ihrer Gefährtinnen, die ihnen aus diesem oder jenem Grund während der vorausgegangenen Tage des Festes verwehrt geblieben waren, stopften sich voll mit Fleisch und Brot und Käse, tanzten und hüpften oder gaben sich mit Schunkeln zufrieden, urinierten, furzten und erbrachen sich unter die Tische oder in die Ecken des Hofes, gossen Wein und Bier in sich hinein, schworen ihren Bekanntschaften des Abends immerwährende Treue und Freundschaft oder ewigen Haß ihren ältesten Gefährten. Die kalte, doch vom Feuer und der Körperwärme von Hunderten von Menschen erwärmte Luft war hinreichend gesättigt, um jeden zu nähren, der sie atmete, geschwängert wie sie war mit den Gerüchen von gekochtem Rindfleisch und gebratenem Geflügel, von Wein, Rum und Bier, von Schweiß und Ungewaschenheit, von Holzrauch und geschmolzenem Schnee. Brüllende Ausbrüche von Gelächter erhoben sich immer wieder da und dort, und manchmal, wie etwa dann, als Tinkler von einer Dirne, die nichts von ihm wissen wollte, rücklings ins Feuer gestoßen wurde, verschmolz es zu solch allgemeinem Toben, daß Wände und Tragbalken erzitterten. Auch hier waren berufsmäßige Spaßmacher – darunter einige von denen, die vorher auf dem Eis die Königin und ihren Hofstaat unterhalten hatten –, Hanswurste und Harlekine, der stolzierende Prahler, der vertrottelte Alte, die schnippische Schöne und die liederliche Vettel mit Haaren auf den Zähnen – in Kleidern nach italienischem Schnitt, obgleich die meisten aus London stammten. Hier vergnügten sie sich nach getaner Arbeit und boten diesem Publikum umsonst, wofür die Königin bezahlt hatte.
    In dieses Treiben schritt keck und selbstbewußt Kapitän Quire, im Arm seine Geliebte, den Degen rückwärts unter dem Mantel herausragend wie der wedelnde Schwanz eines triumphierenden Straßenköters, der den Weg in den Metzgerladen gefunden hat. Das in Weiß und Silber gehaltene, sorgfältig

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