Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
Vom Netzwerk:
erwartete.

    Im Schlitten der Königin saßen der König von Polen und der Großkalif Seite an Seite der Königin und ihrer Gefährtin, der Gräfin von Scaith, gegenüber.
    Kasimir XIV. war in Hochstimmung. »Seit ich nach Albion kam, erlebte ich die tollsten Abenteuer, um die mich unter meinem Gefolge so mancher beneiden mag! Bei den Göttern, Majestät, ich bin froh, daß ich diesen Entschluß faßte! Wäre ich zu einem Staatsbesuch gekommen, mit einer großen Flotte und zahlreichem Gefolge, so wären meine Tage langweiliger gewesen, des bin ich gewiß.«
    Hassan al Ghafar blickte verdrießlich aus dem Fenster zum Fluß hin, der rasch zurückblieb. »Es bestand wirklich keine Gefahr«, sagte er. »Das Eis ist noch fest.«
    »Lord Montfallcon lebt bei Tag und Nacht nur für die Sicherheit der Königin«, sagte Una mit einem Anflug von Ironie. Der junge Kalif runzelte die Brauen. »Gestattet Ihr diesem Mann, jede Eurer Entscheidungen zu überwachen, Majestät?« »Seit meiner Geburt hat er mich beschützt«, antwortete Gloriana entschuldigend. »Ich fürchte, daß ich mich mit den Jahren dergestalt daran gewöhnt habe, daß mir etwas fehlen würde, wenn Montfallcon nicht irgendwo im Hintergrund wie eine Glucke über mich wachte.«
    König Kasimir war verblüfft. »Bei den Göttern, Majestät! Seid Ihr niemals frei und Herrin Eurer Entscheidungen?« Ohne sich etwas dabei zu denken, legte er der Königin die Hand mitfühlend auf den Arm.
    Gloriana wußte nicht, wie sie dieses Problem diplomatisch lösen sollte, aber der Schlitten traf ein Hindernis und enthob sie so einer Antwort auf diese Frage, indem Kasimir durch den Stoß in seine Polster zurückgeworfen wurde und gegen Hassans Schulter fiel. Mißbilligend sagte dieser: »Wäre dieser Montfallcon mein Wesir, so würde ich ihn auspeitschen lassen, weil er mein Fest verdarb.« Gloriana lächelte.
    »Freilich bin ich ein Mann«, setzte der Großkalif hinzu. »Eine Frau mag die lenkende Hand eines in Staatsangelegenheiten erfahrenen Ministers als Erleichterung empfinden und überdies mehr zur Milde geneigt sein.«
    »Es ist wahr, daß Frauen mehr zur Barmherzigkeit neigen«, bemerkte König Kasimir. »Die Todesstrafe abzuschaffen und durch Verbannung zu ersetzen, scheint mir eine ideale Lösung zu sein, wenn man in dieser Frage in Gewissenskonflikte gerät. Ich für meine Person bin unbehelligt von solchen Konflikten, da meine Macht mir vom Parlament zugebilligt wird.« »Das ist in meinen Augen überhaupt keine Macht«, sagte Hassan al Ghafar mit Bestimmtheit. »Verleihen die Götter uns Macht, so müssen wir sie auch gebrauchen. Wäre es der Wille der Götter, daß es anders sei, so wären wir nicht, was wir sind.«
    »Dagegen ist schwerlich etwas einzuwenden«, sagte Gloriana, wie gewöhnlich um Ausgleich bemüht, »doch meinen manche Philosophen und Denker, die sich mit Fragen des Staates beschäftigen, daß die Macht dem Herrscher als eine Verantwortung von dem Volk verliehen werden sollte, dem er dient.«
    König Kasimir nickte verständig. »Das ist die Einstellung, die sich in meinen Ländern schon zu Lebzeiten meines seligen Vaters durchsetzte, und ich denke, das Reich fährt nicht übel damit.«
    Der Kalif verzichtete auf eine Erwiderung, aber seine Miene machte hinreichend deutlich, was er von solch schädlichen Entwicklungen hielt.
    Man erreichte den Palast und trennte sich mit Verbeugungen und Artigkeiten, worauf jeder sein Quartier aufsuchte, um das Maskenkostüm anzulegen und seine oder ihre Rolle für den Maskenball zu studieren.
    Gloriana wurde schon vom Lordkanzler erwartet, als sie vor ihren Gemächern anlangte. »Ich muß Euch um Verzeihung bitten, Majestät, daß ich die Festlichkeiten auf dem Eis unterbrach. Mir schien, daß eine so unmittelbare Gefahr drohte, daß energisches Handeln geboten …«
    Die Königin nickte abwesend. Die Anspannung, ihre Aufmerksamkeit gleichmäßig zwischen dem hochmütigen Hassan und dem konfusen Kasimir zu verteilen, war größer gewesen, als sie erwartet hatte, und sie freute sich auf die Stunde, die sie für sich hatte. »Tut Ihr Eure Pflicht, mein Lordkanzler, wie ich die meinige tue«, murmelte sie mit erzwungenem Lächeln. »Jetzt müßt Ihr Eure Verkleidung anlegen und Euch am Mas
    kenball ergötzen. Habt Ihr Eure Rolle gelernt?«
    »Ich habe die Absicht, sie zu lesen, Majestät. Es war noch keine Zeit …«
    »Das verstehe ich. Dann in einer Stunde, Milord.« Mit einer halb schuldbewußten und halb

Weitere Kostenlose Bücher