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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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für immer liegen bleiben. Schaut, Wheldrake, er schmilzt. Und schon spitzen Krokusse und Schneeglöckchen aus der Erde!« Sie blickte über die Schulter zurück in ihr unordentliches Zimmer, das übersät war mit Büchern, Papieren, Tinte, Kleidern, Flaschen, ausgestopften Tieren und lebendigen Vögeln, aber trotz alledem geräumig genug, daß ihr Verehrer darin auf und ab wandern konnte, ein Blatt Papier in einer Hand und eine Feder in der anderen. »Hm«, sagte er zerstreut. »Nun, der Frühling wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. Aber hört zu!« Und er las von seinem Blatt vor:

    »Und Adas Glut wird langsam kalt Unter den bleiernen Hammerschlägen Seiner slawischen Prosa. Er bohrt in seiner akademischen Nase Und gilt dem Publikum als ein kluger Kopf, Als machte er Gold statt schlechten Eisens.

    Nun, was meint Ihr? Gut getroffen wie?«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon Ihr redet«, versetzte sie. »Über einen anderen Dichter? Wahrhaftig, Wheldrake, mit der Zeit nimmt Eure Erfindungsgabe in dem Maße ab, wie Eure Unverständlichkeit zunimmt.«
    »Nein! Er ist es! Er wird unverständlich!« Meister Wheldrake schwenkte die Arme, als sei er ein primitiver Flugsaurier, der sich zum erstenmal in die Luft zu erheben sucht. »Nicht
    ich!«
    »Ihr auch, Wheldrake. Und ich weiß nicht, von wem Ihr redet!« Ihre schönen blauen Augen waren größer denn je, als sie ihn mit einer gewissen distanzierten Bekümmertheit betrachtete; ihr liebliches goldenes Haar fiel in ungebärdigen Strähnen in ihr schöngeformtes Gesicht. »Und ich bezweifle, lieber Wheldrake, daß er Euch kennt.«
    »Zum Henker mit ihm!« Wheldrake fuchtelte, daß ein Papagei mit rauhem Geschrei aufflatterte und ins dichte Laubwerk einer riesigen Zimmerpflanze entfloh, die eine Wand und die Hälfte der Decke überwachsen hatte. »Er ist reich, weil er sich beim Publikum anbiedert. Macht die Leute glauben, sie wären intelligent! Pah! Während ich für alle Zeit hier sitze, abhängig von der Gönnerschaft der Königin, wo ich doch nur ihren Respekt will.«
    »Sie sagte, daß das letzte Maskenspiel ihr sehr gefallen habe, und Montfallcon murmelte von einer bevorstehenden Erhebung in den Grafenstand.«
    »Teuerste Lucinda, ich vergeude meine Zeit mit Angriffen auf Dichterlinge, die sich als meine Rivalen betrachten, selbstbemitleidenden Versen über Frauen, die mich abgewiesen haben, und verdiene mir den Unterhalt mit schwerfälligen, schwülstigen Fürzen, damit die Hofphilister etwas aufzuführen haben. Meine Dichtkunst, meine alte poetische Kraft entgleitet mir. Es fehlt mir an Anreiz …«
    »Beim Arioch, Wheldrake! Man sollte meinen, davon hättet Ihr genug für wenigstens hundert Sonette gehabt!«
    Er zog die Stirn in Falten und fuhr mit der Schreibfeder durch die Luft, daß Tintentröpfchen auf ihre Vorhänge, offenen Truhen und halbgelesenen metaphysischen Bände spritzten. Er zerknüllte das Papier. »Ich sagte es Euch. Keine Züchtigungen mehr.«
    Sie wandte sich wieder dem Fenster zu. Sie blieb neutral. »Vielleicht solltet Ihr in Eure nördliche Heimat zurückkehren,
    zu Euren Grenzlandbewohnern.«
    »Wo ich noch mehr mißverstanden werde? Nein! Ich habe an eine Reise nach Arabien gedacht, dem ich mich in einer Art Wahlverwandtschaft verbunden fühle. Wie fandet Ihr den Großkalifen?«
    »Nun, er war sehr arabisch. Ich glaube, er hat eine sehr gute
Meinung von sich selbst.« Lady Lyst kratzte sich zerstreut die
Rippen.
»Er war selbstbewußt.«
»Ja, das war er.« Sie gähnte.
    »Man konnte sehen, daß er die Königin mit seiner exotischen Sinnlichkeit beeindruckte. Sehr viel mehr als der arme, stümperhafte Pole.«
    »Sie war freundlich zum polnischen König«, sagte Lady Lyst.
    »Dennoch reisten beide ab, enttäuscht in ihren Ambitionen, ohne Albion erobert zu haben. Sie machten den Fehler, die Belagerungstaktik zu wählen, wo sie sich als Gefangene hätten ihr zu Füßen werfen sollen.«
    »Ich fürchte, lieber Wheldrake, Ihr erfindet Euch eine Gloriana nach Eurem Geschmack«, erwiderte Lucinda Lyst trocken. »Es gibt nicht den Schatten eines Beweises …«
    Er errötete und begann seine Satire wieder auseinanderzufalten. Eine Kammerjungfer kam herein. »Ein Besucher, Milady. Der Thane von Hermiston.«
    »Gut. Es ist der Thane, Wheldrake. Ein Landsmann von Euch.«
    »Kaum.« Wheldrake rümpfte die Nase und gesellte sich zu ihr auf den Fenstersitz, wo er sich zurücklehnte und eine theatralische Haltung einnahm, ohne zu bemerken, daß

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