Glueck allein
stand und so war ich größer als er.
Er erzählte, dass seine Freundin ihn gerade verlassen hatte. Ich fragte, wie lange sie zusammen waren und warum sie gegangen war, wie sie so war und ob er sie noch liebte und all das, was man nicht fragen sollte, wenn man jemanden für sich gewinnen will.
Dann ging ich zurück zu den anderen. Ich hatte mich entschieden zu tanzen und zu trinken und zu hoffen, im Zauberwald alles zu vergessen.
Als Hanna und ihre Kolleginnen sich verabschiedeten, war es so voll, dass man aneinander lehnte, auch wenn man sich nicht kannte und bei jedem Vorübergehenden die Füße einzog, damit der nicht auf sie trat. Ich blieb kurz an der Bar und trank ein paar Bier, damit es mir gleichgültig war, dass ich nun alleine war. Mit knallroten Wangen tauchte ich wieder ein in die wirbelnde Masse. Lachende Gesichter flogen an mir vorbei. Nasse Haut strich meine Arme und meinen Rücken. Erhitzte Körper schoben mich hin und her, drängten mich raus und fingen mich ein. Umhüllt, vergraben und geborgen im Getümmel, wie ein Tier in seiner Herde.
Und auf einmal, wie aus dem künstlichen Rauch entstanden, stand ein junger Mann vor mir. Seine Wangen waren rosig und seine Augen frisch und aufgeschlossen. Vielleicht hatte er gerade die Zwanzig erreicht. Wir sahen uns an und nahmen uns an der Hand, vertieften uns wie Kinder in ein harmloses Spiel. Im Schein der Bar küsste der Junge das Mädchen. Ein Kuss ohne Gefühl, ohne Romantik, nur eine Vereinigung von Schweiß und Speichel nasser Lippen. Aber meine Gedanken tanzten umher, alles war unverhofft, hatte ich mich doch schon an diesem Abend einsam nach Hause gehen sehen.
Doch plötzlich, er holte gerade neues Bier, hörte ich eine bekannte Stimme hinter mir: »Emilia!«
Hastig drehte ich mich um. Vor mir stand Jakob.
Nein! Jakob!
Jan? Holt Bier.
Jakob darf Jan nicht sehen.
Jan darf Jakob nicht sehen.
Fassungslos fragte ich ihn: »Was machst du hier?«
Er schwankte auf mich zu, zog mich an sich heran, griff meinen Hintern. »Ich bin hier wegen dir.«
Ich konnte ihn kaum verstehen. Er schien seine Zähne nicht auseinander zu kriegen. Seine Locken klebten an seinem Kopf und sein Atem roch nach altem Schnaps. Nervös blickte ich mich um. Jan darf das nicht sehen.
»Ich kann jetzt nicht«, zischte ich und drückte ihn weg.
Er kniff seine Augen zusammen, aber seine Lider fielen dauernd herab.
»Du hast mir doch geschrieben«, lallte er und zog sein Handy aus der Tasche, als wollte er mir die Nachricht zeigen.
»Ja, ja«, gab ich hastig zu und schob seine Hand zurück, »aber vor zwei Stunden!«
»Und? Jetzt bin ich hier. Nur wegen dir!« Abermals schwankte er auf mich zu. Seine Hand schob sich meinen Rücken herunter. »Komm schon, Süße, lass uns ein bisschen Spaß haben.«
Vielleicht wenn Maria nicht wäre und wenn Jan nicht wäre und vielleicht wenn du mir nicht gleich wie ein notgeiler Bock an den Hintern gegriffen hättest. Ich machte einen Schritt zurück.
Dann plötzlich, ein Glas vor meinem Gesicht, ein gestreckter Arm, dann Jan. Jetzt ist alles vorbei!
Ängstlich nahm ich das Bier entgegen und zeichnete mit meiner freien Hand eine Linie zwischen den beiden Männern: »Jakob. Jan. – Jan. Jakob.«
Sie fixierten einander mit kalten Augen und mein Herz schlug mir bis zum Hals.
»Ist das dein kleiner Bruder oder was?«, sagte Jakob und sah mich an. Ich duckte meinen Kopf, erwartete den großen Knall, aber Jan konterte nicht, vielleicht war er zu jung, sagte nur zu mir: »Ich geh mal Zigaretten holen« und ließ mich mit Jakob zurück, der zufrieden grinste. Ich war erleichtert, dankbar für den Aufschub, den Jan uns gewährte. Gestresst wischte ich mir den Schweiß von der Stirn. Das war mir alles zu viel. Jakob – Maria, Maria – Jakob, Jan – Jakob, Jakob – Jan, Schluss, Aus. Ich musste diesen Tanz auf dem Vulkan beenden.
»Jakob«, sagte ich, »ich kann das nicht. Ich hätte dir nicht schreiben sollen, es tut mir leid.«
Schwammig sah er mich an. »Wo ist dein Problem? Wir können doch einfach ein bisschen Spaß haben.«
Erneut driftete er auf mich zu, wollte meinen Hintern greifen, ich stoppte seine Hand und entschied mich, bei Jan zu bleiben und Jakob zu vergessen, ihm nichts von Maria zu sagen und Maria nichts von ihm zu sagen.
»Nein, es geht nicht«, sagte ich und meine Entschlossenheit schuf eine Distanz, die für ihn nicht zu überwinden war.
Missmutig blickte er auf mich herab. »Dann such ich mir eben ne andere«,
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