Glück muß man haben
machen ihnen die Stuttgarter einen Strich durch die Rechnung?«
»Hoffentlich gehen sie baden, damit sie in der Tabelle nicht womöglich noch vor Schalke zu stehen kommen. Das würde der Kohlenpott nicht vertragen, Jupp.«
»Der Meinung bin ich auch, aber egal wie das Spiel endet, einem meiner zwei Söhne wird sich das Ergebnis auf alle Fälle wieder auf den Magen schlagen.« Jupp seufzte und wandte sich an alle. »Ihr kennt ja die Situation in meiner Familie.«
Jupps Söhne waren verheiratet, der ältere mit einer Stuttgarterin, der jüngere mit einer Dortmunderin. Der Seufzer von Jupp wurde dadurch verständlich.
»Du hättest diese Eheschließungen verhindern müssen, Jupp«, sagte Theo unter allgemeinem Gelächter.
»Wie denn, Theo? Von den Jungen hört doch heute keiner mehr auf unsereinen. Warte nur, bis deine Tochter soweit ist, dann wirst auch du noch deine Erfahrungen machen.«
Theo verstummte. Das überraschte die anderen ein bißchen. Normalerweise war nämlich Theodor Berger einer, der in solchen Debatten gern das letzte Wort hatte.
»Wo ist sie eigentlich?« fragte Jaworowski. »Ich habe sie heute noch gar nicht gesehen.«
Marianne half ihrer Mutter in der Küche. Da das immer so war, wenn im Lokal Hochbetrieb herrschte, hätte sich Jaworowski seine Frage schenken können.
Punkt halb vier brüllte ein Jugendlicher in Lederkleidung durch das ganze Restaurant: »Daumen halten!«
Die Transistorgeräte wurden eingeschaltet, brachten aber vorläufig noch Musik. Das Fußballgeschehen war noch nicht an der Reihe. In dieses stieg der Hörfunk erst nach und nach ein, sprang dann von Stadion zu Stadion, brachte zwischendurch auch wieder Musik und war dann pausenlos dabei ab der zweiten Halbzeit in allen Spielen.
Als aus dem Münchner Olympiastadion die erste Meldung kam, war es eine Hiobsbotschaft. Der FC Bayern lag mit 2 : 0 vorne, und das nach zwölf Minuten Spielzeit!
Die ›Sonnenblume‹, in der man vorher kaum sein eigenes Wort verstanden hatte, glich schlagartig einer Kirche, so still war es rundum. Nur mehr die Stimme des Radioreporters war zu vernehmen.
Sie sprach von einem ›Blitzstart der Hausherren‹, von deren erdrückenden Überlegenheit, von ›Toren, die deshalb wie reife Früchte fielen‹. Wenn das so weiterginge, verkündete sie, müßte mit einer Katastrophe für die Gästemannschaft gerechnet werden. Dann wurde zurückgeschaltet ins Funkhaus.
Ein bißchen Musik …
Auch an der Theke war man in Schweigen verfallen. Das wuchs sich zum Vorteil für die zwei Kellner aus, die ihre Bestellungen dem Wirt nicht mehr dreimal zubrüllen mußten, ehe sie verstanden wurden.
Der erste, der endlich wieder etwas sagte, war Maslowski, der Obersteiger.
»Theo, noch einen Schnaps; einen doppelten.«
Das wurde als Signal aufgefaßt. Ein ganzer Chor ertönte an der Theke: »Uns auch, Theo.«
Nach der allgemeinen Stärkung zog Johann Schuhmacher wortlos seinen Totoschein aus der Tasche, hielt ein brennendes Streichholz darunter und ließ die Asche auf den Tresen fallen. Mit einem Lappen beseitigte Theo den Schmutz. Dann blickte er Maslowski an, von dem ja bekannt war, daß er ebenfalls nur Bänke auf Schalke gesetzt hatte.
»Du auch, Jupp?« fragte er, den Lappen noch nicht aus der Hand legend.
Keiner lachte. Dazu war die Tragödie, die sich am fernen Strand der Isar abspielte, zu groß.
»Wenn ihr mich fragt«, erklärte dann Schuhmacher, »wird das erst anders, wenn die dieses Arschloch nicht mehr auf der Gehaltsliste stehen haben.«
Kein Zweifel, daß damit der Schalker Trainer gemeint war.
Im Radio lief inzwischen eine Reportage aus dem Dortmunder Stadion Rote Erde, wo es noch 0 : 0 stand. Im Müngersdorfer Stadion führte der 1. FC Köln gegen die Gästemannschaft aus Frankfurt 1 : 0. Der Hamburger Sportverein lag in Kaiserslautern 0 : 1 zurück. Borussia Mönchen-Gladbach, die letzte der Spitzenmannschaften, schien auf dem heimischen Bökelberg mit dem VfL Bochum kurzen Prozeß zu machen; die Gladbacher lagen auch schon, wie die Bayern in München, mit zwei Treffern vorne. Alle diese Ergebnisse änderten sich bis zum Halbzeitpfiff nicht mehr.
In der ›Sonnenblume‹ waren die Mienen nicht mehr gar so trüb. Einer brachte die Auffassung vieler zum Ausdruck, als er sagte: »Null zu zwei ginge ja noch. Wenigstens wäre das keine Schande.«
Vorsichtig fügte ein anderer hinzu: »Wenn's dabei bleibt.«
Während der ganzen Zeit war nur der Tisch in der hintersten Ecke als einziger
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