Glück muß man haben
war.
»Davon mußt du sie aber jetzt auch noch abbringen«, sagte Theodor. »Ruf sie rechtzeitig noch einmal an.«
»Ich will einen günstigen Moment abwarten, wenn Marianne mal außer Haus ist.«
»Ja, gut«, nickte Theodor. »Vergiß es aber nicht.«
»Nein, ich –«
Sie mußte abbrechen. Schritte kamen draußen im Flur näher. Sie konnten nur von Marianne stammen, und richtig, die Tür ging auf und Marianne wurde sichtbar. Sie trat jedoch nicht ins Zimmer, sondern blieb auf der Schwelle stehen. Die Türklinke in der Hand, sagte sie:
»Ich habe vergessen, euch noch um eines zu bitten, liebe Eltern. Seid so nett und laßt Herrn Thürnagel in Ruhe. Ich habe ihm gesagt, daß ihr über meinen gestrigen Ausgang mit ihm nicht sprechen werdet. Beachtet das, bitte.«
Theodor sah Sabine an, Sabine Theodor. Vielleicht dauerte das Marianne zu lange, und so blieb unklar, ob sie auf eine Antwort gewartet hatte, denn sie zog die Tür schon wieder von außen zu, als Vater und Mutter ihre Blicke voneinander lösten, um sich Marianne zuzuwenden.
Noch einmal vergingen einige Sekunden, bis Theodor grollend sagte: »Was glaubt denn die eigentlich?«
Sabine schwieg. Sie bekam es mit der Angst zu tun. Vielleicht waren ihre Ideen, die sie entwickelt hatte, doch nicht das Richtige? Vielleicht wurde dadurch alles nur noch schlimmer?
»Glaubt die, ich mache das mit?« ließ sich Theodor vernehmen.
Sabines Standpunkt war plötzlich ganz und gar zerbröckelt. Sie konnte nur noch sagen: »Sei vorsichtig mit der, Theo, sei bloß vorsichtig!«
Samstagnachmittag in der ›Sonnenblume‹. Das Lokal war gerammelt voll. Das war immer so, wenn der FC Schalke auswärts spielte. Theodor Bergers Stammpublikum bestand zu einem großen Teil aus Fußballfans, für die es eine alte Gewohnheit war, sich in Theos Gastwirtschaft einzufinden, wenn die Tore des berühmtesten Stadions des Ruhrgebiets, der Glückauf-Kampfbahn, geschlossen blieben. Das größte Gedränge herrschte stets an Theodors Theke, die von seinen besonderen Freunden sosehr mit Beschlag belegt wurde, daß die zwei Kellner, die durch das Lokal flitzten, immer Mühe hatten, sich einen Weg zum Herz des Tresens, den Zapfhähnen, zu bahnen, um Theo ihre Bestellungen zuzurufen.
Unter Theos besonderen Freunden gab es noch einmal einen sogenannten ›inneren Kreis‹. Das waren vier Männer, die schon seit Jahrzehnten die ›Sonnenblume‹ zu ihrem Stammlokal erkoren hatten, für den FC Schalke ihr Herzblut hergaben und von Theodor nur eines nicht ganz verstehen konnten: seine widernatürliche Freundschaft mit Pit Schmitz, der ja bekanntlich sein Herzblut für den 1. FC Köln hergab. Die vier hatten sich aber im Laufe der Zeit mit dieser Perversität Theodors abgefunden, als sie gesehen hatten, daß er von ihr nicht abzubringen war und seine Seele trotzdem nicht Schaden nahm insofern, als sie sich etwa auch nur andeutungsweise dem 1. FC Köln zugewandt hätte.
Die vier waren: Johann Schuhmacher, der zufällig auch dieses Gewerbe ausübte und daneben einen kleinen, recht lukrativen Handel mit orthopädischem Schuhwerk betrieb; Josef (Jupp) Maslowski, ein pensionierter Obersteiger aus dem Pütt; Fred Szykowiak, Meister in einem mittleren Betrieb des Maschinenbaus; Karl Jaworowski, ein Waschmittelvertreter, der viel herumkam, sich im übrigen aber auch schon dem Rentenalter näherte.
»Ich war zwei Tage in München«, teilte er den anderen mit. »Zu einer Tagung.«
»Wie kommt ihr nach München?« fragte Szykowiak. »Ihr gehört doch nach Düsseldorf.«
»Düsseldorf« lachte Jaworowski, »hängt uns schon zum Halse heraus. Das haben wir denen im Werk gesagt, und so kamen die mal auf München. War prima.«
Er streckte die Hand aus, um von Theo Berger ein Glas Bier, das ihm dieser eingeschenkt hatte, in Empfang zu nehmen.
»Was war prima?« fragte Theo, der nur die letzten zwei Brocken mitbekommen hatte.
»München«, sagte Karl Jaworowski.
»Wieso München?«
»Wir hatten dort eine Tagung. Immer noch eine sehr schöne Stadt. Nur eines ist mir dort ebenso unangenehm aufgefallen wie hier.«
»Was denn?« tappte Theo in die Falle.
Karl hielt sein Glas in die Höhe, damit es alle sehen konnten.
»Das schlechte Einschenken.«
Schallendes Gelächter ringsum. Theodor ging darüber hinweg. Ein herandrängender Kellner nahm ihn in Anspruch.
»Wart ihr auch im Hofbräuhaus, Karl?« stellte der Obersteiger Maslowski die obligate Frage.
»Klar, Jupp! Ich kannte es ja schon, aber das
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