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Glücklich die Glücklichen

Glücklich die Glücklichen

Titel: Glücklich die Glücklichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Reza
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hat. Wenn sie Justin Timberlake mag. Wenn sie einen Blog hat. Loula musste lachen. Ich sagte, wenn sie nicht lachen kann wie Sie. An einem Abend gab es eine kleine Party, weil ein Schauspieler seinen letzten Drehtag hatte. Loula riet mir, dem Tonassistenten nicht einfach so das Terrain zu überlassen. So stand ich Schulter an Schulter mit Géraldine in dem Treppenhaus, das nach unten führt, wo die Kulissen zwischengelagert werden. Ich hatte eine Flasche Rotwein geklaut, wir tranken aus Pappbechern. Vor allem ich. Ich sagte (mit der raunenden Stimme der amerikanischen Serienschauspieler kurz vor der nächsten Fick­szene), wenn ich Präsident wäre, würde ich ein paar Reformen sofort anpacken. Eine europaweite Verfügung gegen Kleiderbügel, die angeblich Hosen halten und sie fallen lassen, sobald du ihnen den Rücken kehrst. Ein Gesetz gegen Seidenpapier in Socken (es heißt Seidenpapier, ist aber etwas zwischen Seidenpapier und Pauspapier), das nur dazu da ist, dir Zeit zu stehlen und dir zu sagen, ich bin neu. Ein Gesetz gegen die Behinderung durch Beipackzettel, wenn du eine Medikamentenschachtel öffnest. Du fingerst herum, weil du deine Schlaftabletten nehmen willst, und findest Papier, also schmeißt du den Beipackzettel weg, weil er dich nervt. Man müsste die Laboratorien wegen Mordes anklagen, wenn man bedenkt, was für Risiken sie einem zumuten. Géraldine sagte, du nimmst Schlaftabletten ? – Nein, ein Antihistaminikum. – Was ist das ? Ich war nicht alkoholisiert genug, um die Dimension des Problems gleich zu erkennen. Nicht nur, dass mir Géraldine nicht an die Brust sank, entzückt von meinem dummen Geschwätz, sie kannte auch das Wort Antihistaminikum nicht. Ganz zu schweigen von ihrem missbilligenden Ton, als es um die Schlaftabletten ging, der einen unnachgiebigen Charakter und New-Age-Tendenzen verriet. Ich sagte, Medikamente gegen Allergien. – Du hast Allergien ? – Asthma. – Asthma ? Was musste sie alles so wiederholen ? Nach einem Schluck aus der Flasche sagte ich mit finsterer Stimme, und Heuschnupfen und alle möglichen anderen Allergien. Und dann küsste ich sie. Sie ließ mich machen. Ich legte sie quer über die Stufen, gegen die Betonmauer der Lagerhalle, und fing an, sie wie ein Wilder überall zu begrapschen. Sie zappelte und sagte irgendwas, das ich nicht verstand, und das nervte mich, ich sagte, was, während ich mich an ihr erregte, was ? Was sagst du ? Sie wiederholte, nicht hier, nicht hier, Damien ! Sie versuchte mich wegzustoßen, wie es Frauen tun, halb ja, halb nein, ich steckte den Kopf unter ihr T-Shirt, sie trug keinen BH , ich schnappte eine ihrer Brustwarzen mit den Lippen, ich hörte unverständliches Stöhnen, ich streichelte ihre Schenkel, ihren Hintern, den Slip hatte ich schon geschafft, ich versuchte, ihre Hand zu meinem Schwanz zu führen, und plötzlich bäumte sie sich wirklich auf, stieß mich mit den Armen und Beinen zurück, trat um sich und schrie, hör auf, hör auf ! Ich fand mich plötzlich an der gegenüberliegenden Wand wieder, vor mir eine rot angelaufene Frau, die ganz außer sich war. Sie sagte, du bist ja krank ! Ich sagte, was hab ich denn gemacht ? – Soll das ein Witz sein ? – Entschuldige. Ich dachte, du ... du schienst nichts dagegen ... – Nicht hier. Nicht so. – Wie, nicht so ? – Nicht so brutal. Nicht ohne Vorspiel. Eine Frau braucht ein Vorspiel, hat dir das keiner beigebracht ? Sie versuchte, ihre Haare wieder zu richten, machte zehnmal dieselbe Bewegung, um sie nach hinten zu raffen. Ich dachte, Vorspiel , was für ein affiges Wort. Ich sagte, lass doch deine Haare, es ist schön, wenn alles durcheinander ist. – Ich will aber gerade nicht, dass alles durcheinander ist. Ich trank den Rest der Flasche leer und sagte, widerlich, dieser Wein da. – Warum trinkst du ihn dann ? – Komm, küss mich. – Nein. Oben hatten sie Musik angemacht, aber ich konnte nicht erkennen, was es war. Ich streckte eine Bettlerhand aus, komm. – Nein. Sie wand sich das Haar zu einem Knoten und stand auf. Ich legte den Kopf an die Wand, mein Körper war zusammengesackt. Es geschah absolut nichts. Sie stand mit hängenden Armen da. Und ich am Boden, in der Hand den zerdrückten Plastikbecher. Das bedeutet es doch, jung zu sein, wenn die Jahre vor einem liegen. Also nichts. Ein tiefer Abgrund. Aber kein Abgrund, in den du stürzt. Der ist oben, gegenüber. Mein Vater hat recht, dass er nur in den Karten lebt.

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