Glücklich die Glücklichen
Anne-Laure stand vor dem Spiegel (sie findet, sie hat Falten), Juliette schrie ihre Schwester an, da dachte ich, verdammte Hacke ! Ich lass mich von der Zeitung versetzen, ganz weit weg. – Und Paola ?, erkundigte sich Robert, triffst du dich noch mit ihr ? – Noch. Aber nicht mehr lange. Du hast Odile nichts davon erzählt, oder ? – Nein, nein. Warum denn nicht mehr lange ? – Weil irgendwann bei jeder Kurtisane die gute Frau durchschlägt. Ich, der ich nur auf Mädchen aus den Matrosenkneipen stehe, fang mir immer die Intelligenzlerinnen ein, die mich zu Dichterlesungen schleppen. – Sie ist viel mehr wert als du, sagte Robert. – Genau das werfe ich ihr vor. Apropos, was läuft mit Virginie Déruelle ? – Wer ist das ?, fragte Lionel. – Eine Kleine, die er in seinem Sportverein kennengelernt hat und die er mir andrehen will, antwortete Robert. – Die ich dir bereits angedreht habe. – Auch recht. – Also ?, lachte Robert und zog eine lange Nudel heraus, probier mal, ist die gar ? Oder noch ein bisschen drinlassen ? – Nee, ist gut. Erzähl schon ! – Nein. – Da könnte man ihm wertvolle Ratschläge für sein Abenteuer geben, sagte ich zu Lionel, und dann will er es lieber ganz allein erleben. Im selben Augenblick hörten wir dröhnende Musik irgendwo in der Wohnung. – Was ist das denn ? – Das ist Simon, wegen dem fliegen wir noch mal aus dem Haus, dieser Idiot, sagte Robert. Er ließ die Nudeln Nudeln sein und rannte den Flur runter. Die Musik brach abrupt ab. Wir hörten ihn palavern. Dann kam er mit seinem jüngsten Sohn zurück, der echt sympathisch aussieht. Ich hätte gern einen Sohn. Robert sagte, falls die Nachbarn klingeln, soll sich dein Bruder mit ihnen rumschlagen. Und ich stehe hundertpro auf ihrer Seite. Was willst du, Milch ? – Johannisbeersaft, stotterte Antoine. – Nicht abends, nicht nach dem Zähneputzen. – Johannisbeersaft, wiederholte Antoine. – Warum willst du denn keine Milch, du magst doch Milch ! – Ich will Johannisbeersaft. – Gib ihm doch endlich seinen Johannisbeersaft, sagte ich, was soll schon sein. Robert schenkte ihm ein Glas Johannisbeersaft ein. – Ab ins Bett, mein kleiner Biber. Robert goss die Spaghetti ab und schüttete sie in eine Schüssel auf dem Tisch. Lionel sagte, das hatten wir jahrelang mit Jacob. Den lieben langen Tag waren die Nachbarn am Klopfen und Klingeln. – Und Jacob ? Macht er immer noch sein Praktikum in London ?, erkundigte sich Robert. Lionel nickte. Was für ein Praktikum war das noch mal ?, fragte ich. – In einer Plattenfirma. – Welche denn ? – Ein kleines Label. – Ist er zufrieden ? – Sieht so aus. Robert hatte alle Hände voll zu tun, uns zu bedienen. Er rieb Parmesan. Er schnitt Basilikum klein und streute es über den Sugo. Er stellte zum Nachwürzen sizilianisches Olivenöl und ein Piment-Öl hin. Er schenkte uns nach. Wir hatten’s gut, wir drei. Ich sagte, das ist schön, so zu dritt. Wir stießen an. Auf die Freundschaft. Auf das Alter. Auf das Hospiz, das uns dereinst aufnimmt, es möge ein gutes sein. Auf die seltene Ehre, dass Lionel dabei ist, sagte Robert. Lionel wollte protestieren. Gib doch zu, dass du nie Zeit hast, sagte, ich, er hat recht. Man kriegt leichter einen Termin bei Nelson Mandela als bei Lionel Hutner. Hey ! Ein bisschen Humor, mein Guterchen. Du bist der einzige von uns, der es geschafft hat, als Paar glücklich zu werden. Da hat man bestimmt zu tun. Die Tür ging auf, Simon, der Ältere von Odile und Robert. Ein kindlicher Körper und eine braune, gewellte Tolle, die seltsam über der Stirn hing, wie angeklebt, was einen Hang zum Modischen verriet. Was ist denn noch ?, fragte Robert. Wir wären am liebsten ungestört, falls das geht. – Ist noch Johannisbeersaft da ? Oh, super, Nudeln, krieg ich auch welche ? – Mach dir einen Teller und verschwinde. Ich betrachtete die Freude und Begeisterung in den Augen des Jungen, dem sein roter Pyjama zu kurz geworden war, während er einen kleinen Berg Spaghetti, Tomatensoße und Parmesan auf seinen Teller häufte. Ich wartete ab, bis er weg war mit seinem Johannisbeersaft in der anderen Hand, und sagte, Glücklichsein ist Veranlagungssache. Du kannst in der Liebe nicht glücklich sein, wenn du nicht zum Glücklichsein veranlagt bist. – Jetzt hast du es aber geschafft, diesem Abend einen Dreh ins Finstere zu geben, Alter, sagte Robert. Konzentrier dich auf deine Nudeln. Kein Kompliment ?
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