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Glücklich die Glücklichen

Glücklich die Glücklichen

Titel: Glücklich die Glücklichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Reza
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einer fragt, was dein Vater beruflich macht, sagst du Fachberater. In Wahrheit bekam er nur ein Fachberatergehalt, weil er den Bridgepartner für einen Typen machte, der mit Marktkonzessionen handelte. Mein Großvater hat sich beim Pferderennen ruiniert, und mein Vater hatte auf eigenes Betreiben ein paar Jahre lang Hausverbot in den Kasinos. Loula lauscht mir, als würde ich unglaubliche Geschichten erzählen. Sie ist wirklich süß. Jeden Morgen setzt sie sich in meinen Wagen, also, ich meine natürlich in den Wagen, den die Filmproduktion zur Verfügung stellt, um sie abzuholen und zurückzubringen. Sie setzt sich, noch ein bisschen schläfrig, vorne neben mich. Ich bin angewiesen worden, nicht mit ihr zu sprechen, es sei denn, sie richtet das Wort an mich, ich soll ihre Erschöpfung und ihre Momente der Sammlung respektieren. Aber Loula Moreno stellt mir Fragen, sie ist an mir interessiert, sie redet nicht die ganze Zeit von sich, wie es die Schauspielerinnen normalerweise tun. Ich sage ihr, dass ich Kino mag, dass ich bei der Aufnahmeleitung mitarbeite, aber lieber Regieassistent wäre. In Wahrheit weiß ich gar nicht so genau, was ich machen möchte. Ich bin der erste Barnèche, der kein Spieler ist. Sie duzt mich, und ich antworte mit Sie, obwohl ich zweiundzwanzig bin und sie gerade mal dreißig (hat sie mir gesagt). Im Lauf der Tage erzähle ich ihr mein Leben. Loula Moreno ist neugierig und feinfühlig. Sie hat schnell bemerkt, dass ich mich für Géraldine interessiere, die Kostümassistentin, eine kleine Brünette mit hellen Augen und wilden Haaren. Mein erster Eindruck von ihr war gemischt, es ging um Musik, und ich erfuhr sofort, dass sie die Black Eyed Peas toll findet und die Sängerin Zaz. Normalerweise vergeht mir da gleich alles. Aber dass wir in Klosterneuburg sind, wir haben mit den Dreharbeiten nämlich in Österreich begonnen, hat mich vielleicht etwas duldsamer gemacht (oder weicher). Vor allem, weil wir sofort eine gemeinsame Leidenschaft entdeckten, Pim’s-Kekse. Wir erinnerten uns daran, dass es, als wir klein waren, eine Sorte mit weißer Schokolade und Kirsche gab. Und wir waren uns einig, dass die Neuauflage dieser Sorte im Sortiment von Casino weniger gut war. Géraldine fragte mich, ob ich meinte, dass Pim’s eines Tages auch Pim’s-Karamelkekse machen würden. Ich sagte ja, allerdings unter der Voraussetzung, dass der Biskuit härter oder das Karamel sehr flüssig sein müsse, weil weich auf weich nicht geht. Géraldine sagte, aber dann wäre es ja kein Pim’s mehr. Auch darin waren wir uns vollkommen einig. Sie kannte aber auch Pim’s-Birne nicht, die findet man sehr selten, kaum jemand kennt sie. Ich sagte zu ihr: Das ist von Pim’s das Optimum. Die Konfitüre ist ziemlich fest, im Gegensatz zu Himbeer oder Orange, aber das merkst du erst beim Reinbeißen. Dann verteilt sie sich. Die Orange gibt sich sofort hin, die Birne lässt sich Zeit. Sie verschmilzt mit dem Biskuit. Sogar die Verpackung bei dieser Sorte ist perfekt. Die haben eine dermaßen schicke Verkaufsästhetik. Sie haben kein läppisches Grün genommen, sondern eine Art Maulwurfsgrau, verstehst du. Sie war begeistert. Am Ende sagte ich, wenn du deinen ersten Pim’s-Birne isst, schau dabei auf die Packung. Sie sagte, ja, ja, natürlich ! Ich habe mich in sie verliebt, weil eine Frau, die solche Dinge versteht, sehr selten ist. Loula stimmt mir zu. Ich weiß nur nicht, ob ich bei Géraldine Chancen habe. Wenn ich eine Frau wirklich attraktiv finde, bin ich nicht der Typ, der gleich mit gesenktem Kopf losstürmt. Ich brauche eine Sicherheit. In Klosterneuburg hatte ich den Eindruck, ich würde ihr gefallen. Seit wir zurück sind, verkauft sie sich an den Tonassistenten. Eine Riesenkrabbe, die dir mit dem Pfadfindergruß hallo sagt (ich bin mir nicht sicher, ob das ironisch sein soll, und wenn es ironisch ist, finde ich es noch schlimmer). Noch ein Problem ist dazugekommen, das es in Österreich nicht gab: sie trägt Ballerinas. Sogar zum Kleid. Wenn man sich an der Uni bückte, sah man einen Wald von Beinen in Ballerinas. Für mich sind Ballerinas ein Synonym von Langeweile und fehlendem Sex. Loula hat mich gebeten, ihr eine Liste davon zu machen, was mich an einer Frau alles nervt. Ich sagte, die Anzahl der aufgezählten Punkte sei eins vor unendlich. – Na los. Ich sagte, wenn die Frau eine bekloppte Frisur hat. Wenn sie alles analysiert. Wenn sie katholisch ist. Wenn sie militant ist. Wenn sie nur Freundinnen

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