Glücklich gestrandet
würde. Einige Momente später hörte sie sie mit einer gewissen Erleichterung ins Bad gehen.
Jo hatte den Abend sehr genossen, aber dennoch nicht gut geschlafen. Zum Teil lag es daran, dass sie jetzt Dora hier hatte, das wusste sie. Obwohl sie so energisch beteuert hatte, dass ihre Mieterin erwachsen sei, hatte sie doch keine wirkliche Ruhe gefunden, bis sie Dora hatte hereinkommen hören. Und dann war da Miranda gewesen, die sie so oft zum Lachen gebracht hatte und die sich einen Job als Stallmädchen wünschte. Sie war so neidisch auf Jo gewesen, dass diese eine Chance hatte, eine neue Karriere zu starten, und sie hatte Jo eine Menge Stoff zum Nachdenken gegeben. Bis dahin hatte sie sich für die Geschädigte gehalten, die tapfer kämpfte, um sich ein neues Leben aufzubauen. Jetzt, da ihr das mehr oder weniger gelungen war, war eine neue Karriere genau das, was sie brauchte und wollte. Das war ihr in der vergangenen Nacht bewusst geworden.
Lange hatte sie wach gelegen und darüber nachgedacht, was sie tun konnte. Ein Job als Stallmädchen kam für sie auch nicht infrage. Aber es gab durchaus Dinge, auf die sie sich verstand. Sie war eine ziemlich gute Gärtnerin, obwohl sie wahrscheinlich keine Lust hatte, das ganze Jahr über zu gärtnern. Sie konnte, wenn nötig, ein umwerfendes Essen zubereiten und hatte die denkbar kreativsten Geburtstagskuchen gebacken: Skulpturen aus Butterzuckerguss, eine ganz eigene Kunst. Die Erinnerung an ihren Einfallsreichtum entlockte ihr ein Lächeln. Aber dann gestattete sie sich einen Augenblick der Bitterkeit bei dem Gedanken an die vielen Dinners, die sie für die langweiligen Klienten ihres Exmanns gekocht hatte. Diese Überlegung führte sie zu der Frage, ob er ein Exmann war, wenn sie noch nicht wirklich geschieden waren. Ja, definitiv, befand sie. Er war nicht länger ihr Ehemann; er war der Ehemann der Perle, auch wenn sie nicht verheiratet waren.
Sie konnte immer in einem Pub oder etwas Ähnlichem kochen. Das würde vielleicht Spaß machen. Sie konnte Barfrau sein und das rote Glitzertop tragen, das bei den anderen Gästen solchen Anklang gefunden hatte. Doch Barfrauen waren tendenziell eher jünger, fiel Jo ein. Und wenn sie den ganzen Tag in der Küche festsaß, würde ihr die Arbeit in einem Pub vielleicht doch nicht so gut gefallen. Oder ein Café? Ein hübsches, vornehmes Café, in dem man Teekuchen und Scones servierte? Ihre Gedanken waren zu ihrer Kindheit zurückgewandert. Die »Lavender Tearooms«. Sie hatten dort wunderbare Dinge serviert: Ja, diese Idee gefiel ihr definitiv. Sie war sich nicht sicher, ob es solche Lokale noch gab, aber es war ein guter Anfang.
Zu guter Letzt war sie eingeschlafen in Gedanken an ihren Garten und hatte sich gefragt, welche der Rosen erblüht waren. Würde die Perle Paul’s Himalayan Musk mit ihren winzigen blassrosa Blüten, die sich in die Blutbuche hinaufrankte, ebenso zu lieben lernen, wie sie, Jo, sie liebte?
»Es tut mir so leid!« Dora erschien nach Duschgel duftend und mit feuchtem, gelocktem Haar. Sie griff nach einer Scheibe Toast und steckte sie sich ganz in den Mund. »Du hättest mich früher wecken sollen«, murmelte sie.
Jo lächelte. »Du brauchst deinen Schlaf. Ich weiß, dass du spät nach Hause gekommen bist.« Ein Stich des Neids auf die Jugend durchzuckte sie, die Jugend, die es erlaubte, so lange zu schlafen, wie man eben Schlaf brauchte.
»Oh, habe ich dich geweckt?«
Jo beeilte sich, sie zu beruhigen. »Nein, ganz und gar nicht. Ich war zufällig gerade wach, als du hereingekommen bist, das ist alles. Noch mehr Toast? Du kannst ihn ruhig essen, ich habe ihn bereits fertig.«
Dora nahm den Toast gern an.
»Hast du dich gestern Abend gut amüsiert? Ich muss zugeben, es war besser, als ich erwartet hatte«, sagte Jo.
»Definitiv. Das Quiz hat richtig Spaß gemacht!«
»Ein Quiz ist immer am besten, wenn man es gewinnt. Aber wir hatten auch unseren Spaß. Wie ist die Avocet denn so?«
»Sehr schnittig. Hübsch, aber nicht so hübsch, wie ein Boot für mich sein müsste.« Dora runzelte die Stirn. »Es ist seltsam, doch ich hatte bis vor ein paar Tagen nichts mit Booten zu tun, und jetzt denke ich, ich könnte eine echte Vorliebe für sie entwickeln.«
»Sie wachsen einem ans Herz. Die Drei Schwestern ist für mich schon ein echtes Zuhause geworden.« Jo wischte die letzten Krümel, die von Doras Toast gefallen waren, beiseite. »Also, darf ich unhöflich sein und fragen, ob du das Badezimmer
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