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Gluecklich, wer vergisst

Gluecklich, wer vergisst

Titel: Gluecklich, wer vergisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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unruhige Nacht zu verbringen, versuchte ich es mit autogenem Training. Nach ein paar Minuten gab ich auf und beschloss, mir am nächsten Tag Schlaftabletten zu besorgen.
    Die Gedanken an diese völlig kaputte Familie würden sich aber selbst mit Hilfe von Tabletten nicht vertreiben lassen. Nicht nur Walpurga, auch Albert benahm sich seit Heinzis Tod sehr sonderbar. Ich fühlte mich regelrecht von ihm verfolgt. Als ich während des Abendessens aufs Klo im ersten Stock gegangen war, das geheizt wurde, war er plötzlich hinter mir gestanden, hatte kein Wort gesagt, mich nur mit diesem seltsamen Blick angesehen. Ich war einfach an ihm vorbeigegangen. Die Toilettentür ließ sich leider nicht zusperren. Ich setzte mich erst gar nicht aufs Klo, wartete zwei Minuten und verließ dann das stille Örtchen wieder. Er stand nach wie vor im Gang und starrte mich an. Aus seinem Zimmer dröhnte laute Musik. Gustav Mahler? Was sonst, dachte ich, als ich „Es sungen drei Engel“ aus der Dritten Symphonie vernahm.
    Bereute Albert sein Geständnis vom Vorabend? Hätte ich beteuern sollen, dass ich ohnehin nicht glaubte, dass er die beiden Morde begangen hatte? Hätte ich ihn besser trösten sollen?
    Er hatte sich nie von mir trösten lassen. Nicht einmal damals bei Giselas Geburtstagsfest auf der „Vöcklabruck“.
    Mein Magen knurrte. Ich hatte beim Abendessen kaum etwas angerührt. Mir war nach der Bergtour nicht nach Essen zumute gewesen. Jetzt hatte ich Hunger. Ich stand noch einmal auf, ging in die Küche, machte mir ein Schinkenbrot und stellte Teewasser zu. Während ich den Tee aufgoss, grübelte ich, wie so oft, über die Einsamkeit nach.
    Schluss mit dem Selbstmitleid! Ein psychisch stabiler Mensch arrangiert sich eben mit der Einsamkeit, dachte ich.
    Langsam kaute ich das Brot und trank den heißen Tee in kleinen Schlucken.
    Ein Blick auf meine Armbanduhr. Kurz vor Mitternacht. Verdammte Scheiße! Ich wollte morgen früh aufstehen, fit sein, wenn Jan und Victor hier eintrafen. Also beschloss ich, mich erst am Morgen weiter mit dieser Familientragödie zu befassen.
    Als ich mich hinlegte, war es fast halb eins. Draußen heulte der Wind. Der Nebel war einem zünftigen Sturm gewichen.
Sommer 1979
    Nach einem ausgiebigen gemeinsamen Frühstück der beiden Familien gehen Franzi und Joe Blumen pflücken. Die schönste Wiese befindet sich auf einer Lichtung unweit des Schlosses. Rot, weiß, gelb, blau. Eine einzige Blütenpracht. Mohnblumen, Kornblumen, Mädesüß, Kamille, Geißfuß, Königskerzen … Die Mädchen haben die Qual der Wahl.
    Franzi bevorzugt Glockenblumen. Joe entscheidet sich für Margeriten und weiße Schafgarben. Gemeinsam überreichen sie Gisela dann einen riesigen blau-weißen Strauß zum fünfundvierzigsten Geburtstag.
    Die Erwachsenen sind inzwischen zu Weiß G’spritztem übergegangen. Ihre Lobeshymnen auf die beiden Blumenpflückerinnen sind etwas zu laut. Klingen übertrieben.
    Gisela scheint sich über die Wiesenblumen sehr zu freuen. Zu Joes Leidwesen freut sie sich aber noch mehr über eine dunkelrote Rose. Sie macht ein großes Theater um diese Blume, die ihr Albert geschenkt hat. Verlangt sofort nach einer passenden Vase. Den Strauß der Mädchen steckt sie in einen Kübel mit Wasser, in dem vorher der Sekt gekühlt worden ist.
    „Deine Mama feiert ihren Fünfundvierziger wirklich in großem Stil. Fünfundvierzig Leute! Echt Wahnsinn! Und fast lauter Wiener, kaum Einheimische. Außer uns hat sie nur die Pfarrersleute eingeladen. Das finde ich echt geil“, sagt Franzi begeistert, als sie am späten Nachmittag, gemeinsam mit den aus Wien eingetroffenen Gästen, an Bord des Attersee-Schiffes „Vöcklabruck“ gehen.
    Joe fühlt sich von ihrer Mutter vernachlässigt. Sie bleibt allein an Deck. Starrt mürrisch auf das silbern glitzernde Wasser.
    Das Fest an Bord des Rundfahrtschiffes beginnt vielversprechend. Die Gäste scheinen die romantische Atmosphäre zu genießen. Sprechen kräftig dem Rotwein zu. Amüsieren sich köstlich über die Frankfurter Würstchen und den gemischten Toast – das einzige „Festessen“, das es an Bord gibt.
    „Mein Gott, wir haben den Zwetschkenfleck, den Kathi gebacken hat, im Schloss vergessen“, kreischt Walpurga. „Wir müssen noch mal zurückfahren.“
    Allgemeines Gelächter folgt ihren Worten.
    „Lauter selbsternannte Intellektuelle“, sagt Joe verächtlich zu Franzi, die die legeren, aber sehr teuren Klamotten der Wienerinnen bewundert.
    „Ich halte

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