Gluecklich, wer vergisst
Kettenraucherin.
Je länger er auf mich einredete, desto mehr wünschte ich mir, er hätte ein Motiv gehabt, Philip Mankur umzubringen.
Als er über Albert herzuziehen begann, wäre ich am liebsten aufgestanden und gegangen: „… ein Tachinierer, wie er im Buche steht, hat noch nie in seinem Leben gearbeitet, deswegen hatte er auch diese Auseinandersetzungen mit seinem Stiefvater. Er lag Philip nur auf der Tasche …, ein Nichtsnutz und Schmarotzer, ein dekadenter Adeliger eben …, hat sich weder um die Verwaltung des Gutes, noch um die Organisation der Schlosskonzerte gekümmert, obwohl er sehr musikalisch ist und recht gut Klavier spielen kann …, hat sich über die Schlosskonzerte immer nur lustig gemacht, fand sich zu gut dafür, sprach von Perlen vor die Säue werfen …, beschimpfte das Publikum als eingebildete Neureiche, selbsternannte Schickeria vom Attersee …“
„Was die Musik betrifft, ist er eben ein Perfektionist. Deshalb hat er auch das Klavierspielen aufgegeben“, unterbrach ich Willis Geschimpfe. „Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich ihn einmal am Klavier im Salon erwischt habe. Er spielte großartig. Irgendein Schubert-Klavierkonzert, glaube ich.“
Willi nahm meinen Einwurf nicht zur Kenntnis. Er redete einfach weiter, erklärte mir aus seiner Sicht Gott und die Welt der Musik.
Ich zündete mir wieder eine Zigarette an, ignorierte seinen bösen Blick und begann, das Gespräch zweier älterer Damen am Nachbartisch zu belauschen. Auch sie sprachen über die Morde, vor allem über jenen am „rauschgiftsüchtigen Heinzi“. Seine verstorbene Mutter bezeichneten sie als „die Dorfhure“. Als sie erwähnten, dass der Fischer-Heinz der Sohn vom Roither-Bauern war, verlor ich endgültig das Interesse an den Belehrungen meines Jugendfreundes und hörte nur mehr den alten Damen zu.
Angeblich hatten die beiden Männer einen Deal miteinander gehabt. Der Fischer-Hans heiratete die viel jüngere, sehr fesche Gerlinde, als sie vom Roither-Bauern, der selbst schon längst verheiratet war, schwanger war. Dieser Deal hatte auch beinhaltet, dass der Roither-Bauer dem Fischer-Hans die Fischereigründe auf der Nordostseite des Sees überließ. Er hatte sich aber nicht an diese Abmachung gehalten. Im Laufe der Jahre hatte er sich die Fischereirechte wieder zurückgeholt.
Die alten Damen klatschten auch über Walpurga. Über ihre Hochnäsigkeit, ihren tiefen Fall und über ihre missratenen Kinder. Vor allem Franzi kam gar nicht gut weg. „Drogensüchtig“ und „männernarrisch“ waren noch die charmantesten Ausdrücke, die sie für meine Halbschwester übrig hatten.
„Wie die Mutter, so die Tochter“, sagte eine der Alten.
„Ja, hinter der Burgi waren damals alle Männer her. Sie war nicht unsauber, das musst du zugeben. Aber dass sie sich von unserem Doktor schamlos den Hof machen ließ, während sie verheiratet war …“,
„Das ist wirklich der Gipfel. Seine arme Frau …“
„Die haben heute noch ein Gspusi miteinander. Wer weiß, ob nicht die beiden den Herrn Mankur auf dem Gewissen haben. Er war so ein schöner Mann, und seine Stimme erst. Wie ein Engel …“
„Psst. Wenn dich jemand hört.“ Sie blickten sich ängstlich um. Ich konnte mir ein kleines Grinsen nicht verkneifen.
Leider brachen die alten Damen bald auf. Ich hätte gern noch mehr Dorfklatsch gehört. Mir blieb nichts anderes übrig, als Willi über Walpurgas Vergangenheit auszufragen. „Ich weiß eigentlich gar nichts über Walpurgas Herkunft. Hast du ihre Eltern gekannt?“
Er antwortete bereitwillig: „Sie ist die Tochter eines Schörflinger Schuldirektors. Ihre Mutter war eine Schönheit! Ein Porträt von ihr hängt übrigens im Schloss. Sie konnte angeblich sehr gut Klavier spielen und Französisch und war über drei Ecken mit dem Baron von Welschenbach verwandt. Die Frau Mama hat die Ehe ihrer Tochter mit diesem psychisch kranken und viel älteren Mann sorgfältig geplant. Sie hat Walpurga von klein auf Flausen ins Ohr gesetzt, ihr eingeredet, dass sie zu Höherem bestimmt sei. Aber warum interessierst du dich so brennend für die Baronin? Ich dachte, du bist hier, um Franzi zu helfen!“
Da ich keine Lust hatte, diesem griesgrämigen Menschen meine Überlegungen und Gedanken zu den beiden ungeklärten Todesfällen mitzuteilen, beendete ich dieses unerquickliche Rendezvous bald. Ich klagte über meine Schmerzen und sagte zu Willi, dass ich dringend ein bisschen Ruhe nötig hätte.
Er ließ mich
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