Gluecklich, wer vergisst
dieses blöde Gequatsche nicht aus. Ach, wie sind wir nicht heute wieder cool. Schaut euch nur diese Provinzler an. Sie haben sich extra herausgeputzt, richtig fein gemacht“, äfft Joe eine Freundin ihrer Mutter nach.
Franzi sieht sie verständnislos an.
„Diese dumme Kuh hat sich gerade über die Sonntagstracht und den Granatschmuck der Frau Pfarrer lustig gemacht. Dabei sieht sie selber aus wie eine abgebundene Knackwurst. Und ihren Hintern könnte man glatt mit einem Pferdearsch verwechseln. Ich hasse diese Weiber!“
„Glaub mir, deine Mama ist eine alte Revoluzzerin, die hat mit solchen Tussis nicht viel am Hut.“ Franzi deutet auf die obszöne Textzeile von den Sex Pistols, die ihr T-Shirt ziert. Gisela hat es ihr beim gemeinsamen Frühstück geschenkt. „Die Baronin wird durchdrehen, wenn sie den Spruch liest.“
„Das San-Francisco-Shirt hat sie doch auch längst abgesegnet“, wirft Joe ein.
„Mit einem gequälten Lächeln“, sagt Franzi. „ ‚Fuck off‘ bringt sie glatt ins Grab.“
Als Gisela mit ihren Wiener Freunden am Oberdeck erscheint, hat Joe wieder nur ätzende Bemerkungen für die Gäste ihrer Mutter übrig: „Ich kenne diese Weibsbilder. Bis Mittag laufen sie im Morgenmantel herum, nachmittags gehen sie shoppen und jammern dann, dass sie den ganzen Tag lang so viel zu tun gehabt haben. Ihre Männer sind auch Widerlinge. Tun jetzt so gescheit und vornehm. Zu Hause prügeln sie ihre Frauen und Kinder.“
„Echt?“, fragt Franzi interessiert.
Joe verzieht sich unter Deck, holt sich eine Cola und plaudert mit dem netten Kapitän.
„Joe, komm sofort rauf“, schreit Franzi aufgeregt. „Das musst du dir ansehen.“ Sie zieht ihre Freundin an Deck und deutet auf Walpurga und Victor, die eng umschlungen am Bug des Schiffs den Sonnenuntergang betrachten.
„Die sind total blau“, zischt Joe verächtlich und schaut sich ängstlich nach ihrer Mutter um. Gisela umarmt jeden Mann, der in ihre Nähe kommt, und bricht immer wieder in kindisches Gelächter aus.
„Oh Scheiße, sie ist auch besoffen“, stöhnt Joe. Schlägt ihre Hände vors Gesicht und stammelt: „Ich glaub’s einfach nicht. Meine Mutter ist sonst nicht so. Die sind heute alle komplett durchgeknallt.“
Franzis Kommentare machen das ganze Spektakel nicht erträglicher. Im Gegenteil. „Schau mal, wie dein Papa meine Mama abschmust. Echt widerlich“, sagt sie.
„Am liebsten würde ich mit diesem Schiff auf der Stelle untergehen.“ Joe senkt beschämt den Blick. Sieht nicht mehr, wie ihr Vater Walpurgas Hintern tätschelt. Und bekommt auch nicht mit, wie Gisela weinend Philip wegstößt, der ihr gerade eine Arie aus der „Fledermaus“ ins Ohr schmettert.
„Trink, Liebchen, trink …“, hallt es über den See. Philips Stimme ist nach wie vor sehr kräftig.
Albert, der diese Szenen ebenfalls beobachtet hat, beugt sich über die Reling und kotzt ins Wasser.
Joe weiß nicht, um wen sie sich zuerst kümmern soll, um ihre Mutter oder um Albert. Während sie noch zögert, geht Franzi zu Gisela. Bemüht sich etwas unbeholfen, sie zu trösten. Bietet ihr eine Zigarette an.
Unschlüssig nähert sich Joe Albert. Schon nach ihrer ersten Frage: „Ist dir nicht gut?“, schickt er sie weg.
Sie geht zu Franzi. „Kümmer dich lieber um deinen Bruder“, sagt sie zu ihrer Freundin. Fasst Gisela unterm Arm und bringt sie zu einem leeren Tisch.
„Wie kannst du nur so viel trinken, Mama. Du weißt ja, dass du nichts verträgst“, schimpft sie. Dann holt sie ihr von der Bar ein großes Glas Wasser.
Als sie zurück an Deck kommt, beendet ein heftiges Gewitter den festlichen Bootsausflug. Blitze erhellen das dunkle Gewässer. Hohe Wellen bringen die „Vöcklabruck“ gehörig ins Schwanken. Alle außer Joe, die sich auf die letzte Stufe des Aufgangs gesetzt hat, flüchten unter Deck. Sehnen nichts mehr als die Ankunft am Steg in Seewalchen herbei. Nicht nur einer der Gäste wankt während der unruhigen Rückfahrt an Joe vorbei und kotzt, so wie Albert vorhin, über die Reling.
Joe zählt mit. Kommt auf mindestens siebzehn Seekranke, einschließlich Victor und Philip.
11. Kapitel
Der Tag war trüb und feucht. Ich hatte keine Lust aufzustehen. Eine halbe Stunde lang wälzte ich mich im Bett. Die Feuchtigkeit kroch unter meine dünne Steppdecke. Meine Füße waren eiskalt.
Um neun Uhr stand ich auf, schlüpfte in meine schwarzen Jeans, zog meinen Kapuzensweater an und ging ans Fenster. Ich schaute auf die tief über
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