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Gluecklich, wer vergisst

Gluecklich, wer vergisst

Titel: Gluecklich, wer vergisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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meinen Kaffee selbst bezahlen. Wahrscheinlich hatte er sogar erwartet, dass ich ihn auf seinen riesigen Eisbecher einladen würde. Ich hatte keine Lust, seine Fresssucht zu unterstützen. Aus dem schlanken, fast zarten Bürschchen war ein feister, rotwangiger und dickbauchiger Mann geworden. Er hatte mindestens dreißig Kilo Übergewicht.
    Da er nicht auf die Idee kam, mich mit seinem Wagen nach Hause zu bringen, nahm ich den Bus zurück nach Seewalchen und latschte die paar hundert Meter hinauf zum Schloss.
    Die Wolken, die sich in der letzten Stunde gebildet hatten, standen jetzt dunkel und feindselig am Himmel, sie verliehen dem See eine bedrohliche dunkelgrüne Tönung. Weiße Schaumkrönchen tanzten auf den Wellen. Ich schritt schneller aus, um dem nächsten Regenguss zu entkommen.
    Als Dr. Braunsperger zum Abendessen erschien, musste ich unwillkürlich an den Tratsch der alten Damen im Café denken. Ich musterte ihn amüsiert. War er tatsächlich Walpurgas Liebhaber? Schön, dass eine Frau im zarten Alter von siebzig noch so einen leidenschaftlichen Verehrer haben konnte, dachte ich gönnerhaft.
    Wir waren beim Dinner zu dritt. Albert aß auf seinem Zimmer. Mario war in der Bar.
    Während des Essens sprachen die beiden ausschließlich über Walpurgas Knieprobleme. Ich fühlte mich etwas deplatziert. Am liebsten hätte ich auch auf meinem Zimmer gegessen.
    Schon als Kind hatte ich, wenn mich die Erwachsenen ignorierten, mir die schrecklichsten Unfälle und Martyrien für sie ausgemalt. Auch jetzt versuchte ich mir vorzustellen, wie Dr. Braunsperger Philip umgebracht haben könnte. Ein Motiv hätte er gehabt. In meinen Augen war er sogar der ideale Mörder!
    Das überhebliche Getue des Arztes und seine übertriebene Fürsorglichkeit Walpurga gegenüber störten mich ebenso sehr wie vorhin Willis Hasstiraden gegen Albert. Ich konnte mich nicht mehr länger zurückhalten, unterbrach den Doktor und erzählte ihm, was die alten Damen im Kaffeehaus heute Nachmittag über ihn getratscht hatten: „Die Leute in eurem Nachbardorf denken, dass Sie, Herr Doktor, Franzis Vater sind.“
    Ich weidete mich an der Verlegenheit des Doktors und achtete nicht auf Walpurga, die mich empört anfuhr: „Joe, ich bitte dich!“
    Dr. Braunsperger räusperte sich ein paar Mal, bevor er zu einer umständlichen Erklärung ausholte: „Liebe Frau Doktor“, fing er an. Dann räusperte er sich wieder. „Ich muss wohl nicht beteuern, dass es sich dabei um eine böswillige Verleumdung handelt. Ich wäre stolz und hocherfreut, wenn ich die Ehre hätte, Franzis Vater zu sein. Leider …“. Er brach ab, sah Walpurga tief in die Augen. Sie senkte die Lider.
    Ich musste mir ein Lächeln verkneifen. Die siebzigjährige Baronin beherrschte die Koketterie besser als jede Siebzehnjährige.
    „Ich habe Franzi wie ein Vater geliebt, ich habe mich gern um sie gekümmert, vor allem, als sie klein war. Philip hatte für Kleinkinder nicht viel übrig. Er war kein liebevoller Stiefvater. Franzi hat als Kind sehr darunter gelitten, dass ihr vermeintlicher Vater tot war. Bis vor kurzem hat sie, und nicht nur sie, geglaubt …“ Ein eindringlicher Blick auf Walpurga, „… die Tochter von Baron Welschenbach zu sein. Als er sich umbrachte, war Franzi gerade zwei Jahre alt. Ich nehme an, das wissen Sie bereits alles. Franzi hat insgeheim immer ihrer Mutter die Schuld am Tod ihres Vaters gegeben. Wie Sie vielleicht bereits gehört haben, war Baron von Welschenbach schwer depressiv. Er hat nicht nur einmal gedroht, sich umzubringen, sich zum Beispiel einen Revolver an die Stirn gehalten, vor den Augen von Walpurga, Albert und Franzi, die damals ein Baby war.“
    Mein Interesse für Baron Welschenbachs Depression und seine Selbstmorddrohungen hielt sich in Grenzen. Ungeduldig unterbrach ich Dr. Braunsperger und wandte mich an Walpurga. Ich hielt den Zeitpunkt für gekommen, endlich die Frage zu stellen, die ich seit Tagen stellen wollte: „Ist Franzi als Kind von Philip missbraucht worden?“
    Angst und Entsetzen in Walpurgas Augen.
    Dr. Braunsperger wich meinem Blick aus, als er statt ihr antwortete: „Ich habe Franzi immer beschützt, so gut ich konnte.“
    Wusste die Baronin von dem Missbrauch oder nicht? Ich starrte sie böse an, als ich sagte: „Ich habe in jenem letzten Sommer hier am See leider mit eigenen Augen gesehen, wie Franzi im Bootshaus von einem Mann sexuell genötigt worden ist. Leider konnte ich nicht erkennen, wer ihr das angetan hat. Es

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