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Glückliche Ehe

Glückliche Ehe

Titel: Glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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höherer Wahrscheinlichkeit zu ihren Gunsten ausfallen lassen würde.
    Margaret hatte nie eine Therapie gemacht, aber sie war schließlich Jüdin und musste wohl nicht von der Idee überzeugt werden, dass man sich therapeutische Hilfe suchte, wenn es ein Problem gab. Sie sagte: »Worüber werden wir da reden? Übers Windelwechseln?«
    »Das ist ja das Problem«, sagte Enrique. »Wir reden über nichts anderes.«
    »Und du meinst, das ist meine Schuld?«
    »Lass uns darüber mit dem Therapeuten reden«, sagte er und beendete das Gespräch, indem er aufstand – ein Novum in ihrer Beziehung.
    Einen Therapeuten zu suchen überließ er dann allerdings, ihrem ehelichen Rollenmuster entsprechend, Margaret, und sie fand einen gewissen Dr. Goldfarb. Eine Freundin von Lily hatte ihn empfohlen und erklärt, Dr. Goldfarb habe ihre Ehe gerettet. Enriques klare Worte und sein nachfolgendes Schweigen mussten Margaret beeindruckt haben, denn sie machte noch für dieselbe Woche einen Termin bei Dr. Goldfarb, am Dienstag, an dem sie nur ein paar Stunden ins Büro musste.
    Sie kamen getrennt dort an, was der Situation angemessen schien, und trafen sich in Goldfarbs teppichgedämpftem Wartezimmer mit dem unvermeidlichen Metropolitan-Museum-Ausstellungsposter und dem obligatorischen rohrgeflochtenen Zeitschriftenhalter mit Nummern des New Yorker . Margaret nahm sich ein Heft und blätterte so aggressiv darin herum, als hätte sie der Herausgeber persönlich beleidigt. Seit ihrem Schlafzimmergespräch machte sie alles mit steifen, zornigen Bewegungen, der Mund schmallippig, die blauen Augen eisig. Ihre harte, kalte Art bestätigte, dass sie ihn nicht liebte, ja dass sie ihn nicht einmal akzeptierte. Trotz ihrer herablassenden Bemerkungen über ihre Brüder und ihrer Beschwerden, dass ihr Vater zu feige sei, sich Dorothys Regeln und Arrangements zu widersetzen, erwartete Margaret von Enrique denselben Gehorsam. Er durfte der ungezähmte Künstler sein, den sie, weil sie so abenteuerfreudig war, geheiratet hatte – nur nicht bei ihr. Sie wollte ihn verschnürt wie einen Braten.
    Schon nach kurzem wurden sie in Goldfarbs Sprechzimmer gerufen. Sie saßen unbequem auf nackten Kapitänsstühlen auf der einen Seite des Schreibtischs, Goldfarb saßauf der anderen, in einem ledergepolsterten, hochlehnigen Drehsessel, der um einiges gemütlicher wirkte. Mit seinen schweren Tränensäcken und hervorquellenden, stumpfgrauen Augen sah der Psychiater aus, als würde er jeden Moment einschlafen. Dr. Goldfarb erklärte, dass er, obgleich traditioneller Freudianer, bei der Paartherapie natürlich nicht schweigen könne und daher diese Sitzungen etwas anders gestalte. Dennoch, sagte er, höre er lieber dem zu, was sie zu sagen hätten, als selbst zu reden.
    Er nahm ihre wichtigsten Daten auf, darunter auch die Angaben zu ihrer Krankenversicherung, sah dann mit seinen müden Augen zuerst Enrique an und fragte: »Also, was führt Sie hierher?« Ohne ihm Zeit für eine Antwort zu lassen, wandte er sich an Margaret: »Wie sieht es in Ihrer Ehe aus?« Er überließ ihnen die Entscheidung, wer antworten sollte.
    Margaret schenkte Goldfarb ein breites, künstliches Cocktailpartylächeln und sagte gar nichts. Goldfarb sah wieder Enrique an. »Was sind Ihre Empfindungen, Ricky?« Margaret korrigierte ihn, ehe Enrique dazu kam. »Enrique«, sagte sie. Goldfarb schien das zutiefst zu langweilen. »Entschuldigung. En-ricky«, sagte er und sprach den zweiten Teil des Namens immer noch englisch aus. »Weshalb sind Sie hier?«, fragte er.
    Ich liebe sie nicht, wollte Enrique sagen. Ja, ich mag sie noch nicht mal. Wie wollen Sie das in Ordnung bringen? Unfähig, diese Gefühle zu äußern, wandte er den Blick von den Fischaugen des Psychiaters auf das Profil seiner hübschen, kalten Frau. Sie lächelte strahlend, mit ihren jüngst in lückenfreie Formation gebrachten, perfekt proportionierten, leuchtend weißen Zähnen, und verbarg ihre Ablehnung seiner Person hinter munterem, oberflächlichem Partygehabe.
    Das Schweigen zog sich hin. Enrique sah Margaret an, Margaret sah den Psychiater an, der Psychiater musterte siebeide. »Wie es aussieht, möchte er lieber, dass Sie anfangen, Margaret«, sagte Goldfarb halb im Scherz. »Sind Sie denn willens?«
    Schlagartig wurde Enrique klar, dass er keine Ahnung hatte, was sie sagen würde. Er ging davon aus, dass sie unglücklich war, aber hatte sie das je gesagt? Er ging davon aus, dass sie sich über ihn beklagen würde, aber

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