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Glückliche Ehe

Glückliche Ehe

Titel: Glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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deine erfolgreiche, schöne Frau, die deinen wunderbaren Sohn aufzieht. Nichts davon würde ich aufgeben wollen, wenn ich du wäre. Aber hör zu: Ich habe zwar keine Selbstachtung, aber ich liebe dich und ich will dich, ich will dich ganz, oder ich werde einen anderen netten jüdischen Ehemann finden – von WASP-Männern habe ich nämlich genug, die sind alle Alkoholiker und scheren sich nicht darum, ob du einen Orgasmus hast, bevor sie kommen. Sie sind ja in allem so höflich, nur nicht beim Sex! Also musst du dich entscheiden. Ich will, dass du mich heiratest und anbetest, wie du Margaret anbetest, und ich will, dass du mich reich machst und mich fickst und mir Kinder machst und ihnen ein toller Vater bist, so wie du Greggy einer bist, und wenn du das nicht willst, okay. Das verstehe ich. Du solltest es nicht tun. Wahrscheinlich nicht. Ich meine, schau doch: Was ich mache, ist schrecklich! Ich mag Margaret sehr. Sie ist eine meiner besten Freundinnen, und sie war immer nett zu mir – na ja, manchmal ist sie mir gegenüber ganz schön biestig, aber das liegt daran, dass sie meint, ich sei selbstzerstörerisch, und da hat sie ja recht, das bin ich ja auch! Jedenfalls ist das keine Rechtfertigung dafür, dass ich hier sitze und mir wünsche, sie wäre tot. Das ist doch schrecklich! Bin ich ein Monstrum? Ich kann nicht weiter so leben, mit diesen Gefühlen ihr gegenüber. Mit diesen Gefühlen dir gegenüber. Mit diesen Gefühlen mir gegenüber. Du musst sie verlassen. Ich kann’s selbst kaum glauben, dass ich keinerlei Skrupel habe, ich dachte immer, ich wäre ein braves Mädchen, bin ich aber nicht. Und das ist auch egal, das spielt alles keine Rolle, weil die Wahrheit nun mal ist, dass du mit Margaret unglücklich bist und mit mir glücklich. Stimmt doch, oder? Sag mir, ob es stimmt.«
    Sie telefonierten. Sally war in ihrem Apartment in Santa Monica, das sie seit einiger Zeit zur Untermiete bewohnte, und er war in seinem Büro in Manhattan und starrte auf mit Dialogen beschriebene Seiten, die von nichts handelten. Vielleicht würde das Geplapper ja irgendjemandem etwas Gutes tun. Einem Idioten zweifellos. Vielleicht würde es ja irgendeinen Idioten davon abhalten, Serienmorde zu begehen. Vielleicht würde es aber auch irgendeinen Idioten dazu inspirieren. »Ja«, beantwortete er ihre bewundernswert direkte Frage. Er musste gestehen, dass es schlicht und einfach stimmte: Er war immer glücklich, wenn er mit Sally zusammen war. Sie konnte irritierend sein, aber sie gab ihm nie das Gefühl, er sei unzulänglich.
    Und so machte er den ersten Schritt in Richtung Scheidung, ein feiges kleines Schrittchen nur, aber immerhin in die richtige Richtung. Er wartete, bis er Gregory nach einem langen Samstag im Bett hatte, ging dann ins Schlafzimmer, wo seine Frau angezogen auf dem Bett lag und einen Krimi las, setzte sich so dicht neben sie, dass er ihre Beine berührte, und starrte sie an. Als sie mit ihren großen blauen Augen aufblickte und »Alles okay?« fragte, seufzte er. Einen langen, tiefen Seufzer. Obwohl sie immer so sorglos und selbstverständlich ihre Forderungen vorgebracht hatte, hatte sie wohl doch schon etwas geahnt, denn sie legte das Buch hin, setzte sich auf und fragte: »Was ist?«
    Er versuchte, eine Ansprache zu halten, eine ernste, schwierige Ansprache. Er hatte das Gefühl, jeden Moment loszuheulen, als ob es ihm das Herz bräche, was ja wohl unlogisch war, weil er andererseits das Gefühl hatte, dass er hier der Schuft war, ein gemeiner, schwacher Mann. Vielleicht fürchtete er auch einfach ihre Reaktion. Er hatte Margaret nur wenige Male mit etwas konfrontiert, womit sie nicht konfrontiert werden wollte, und die Wirkung war jedes Mal einschüchternd gewesen. Sie schlug um sichund stieß schrille, vollkommen übertriebene Bekundungen emotionaler Pein aus. Der perfekte hysterische Anfall. Sein prompter Impuls war dann, alles zurückzunehmen, um sie nicht weiter zu quälen. Es schien, als würde sie sonst irreparabel auseinanderfliegen, als zerstörte er sie buchstäblich, wenn er sich im ersten Jahr ihres Zusammenlebens weigerte, mit ihren Eltern in den Jom-Kippur-Gottesdienst zu gehen, oder bis spät in die Nacht im Backgammon-Club spielte oder jeden Tag bis mittags schlief, nachdem sein vierter Roman immer wieder abgelehnt worden war. »Ich ertrage das nicht!«, rief sie dann. Das Empörendste daran war, dass es sich in seinen Augen genau umgekehrt verhielt. Er war derjenige, der etwas nicht ertragen

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