Glückliche Ehe
mir einen Gefallen, Endy? Würdest du bitte herausfinden, ob ich in Green-Wood begraben werden kann?« Sie sah ihn schüchtern an wie ein kleines Mädchen, als ob dieses Ansinnen irgendwie ungehörig wäre.
»Klar …«, sage Enrique. »Warum sollte das nicht gehen?«
»Der Friedhof ist denkmalgeschützt. Ich hab’s dir doch gesagt. Kathy ist dort beerdigt worden, weißt du nicht mehr?«
»Ja, doch, sicher, ich erinnere mich«, sagte Enrique schnell, denn seit sie sich kannten, war sie jedes Mal, wenn sie glaubte, er hätte ihr nicht zugehört, so tief gekränkt, dass ein außenstehender Beobachter den Eindruck haben musste, er hörte ihr überhaupt nie zu. Auch diese Empfindlichkeit war eine Reaktion auf das Verhalten ihrer Mutter. Dorothy beantwortete ihre Fragen nach Margarets Leben oft selbst, bevor ihre Tochter etwas sagen konnte, und behielt, wenn sie dann korrigiert wurde, eher ihre eigene Antwort im Gedächtnis statt die der Gefragten. Doch Enrique war genau der richtige Ehemann, um ihr die Angst zu nehmen, dass sie überhört werden könnte. Enrique hatte die Fähigkeit, sich beinah wortwörtlich zu merken, was Leute sagten, und er hatte das einst als einen großen Vorteil empfunden.Zu seinem Leidwesen hatte er jedoch lernen müssen, dass diese Gabe von Freunden und Familienmitgliedern nicht immer geschätzt und in seinen geschäftlichen Verhandlungen schlicht geleugnet wurde. »Du hast gesagt, sie vergeben Plätze zwischen den denkmalgeschützten Gräbern. War das nicht bei Kathy –«
»Aber das war vor zwei Jahren. Vielleicht ist es ja nicht mehr so. Sie hatten keinen Platz mehr, und das ist schon fast zwei Jahre her. Ich habe damals sogar schon erwogen, eine Grabstelle zu kaufen, aber –« Sie deutete vage auf ihren besiegten Körper herab, und er begriff, dass sie von der Remissionsphase sprach, als der Kauf einer Grabstelle zu pessimistisch gewirkt hätte.
»Ich werde es herausfinden.« Er erinnerte sich lebhaft, wie Margaret von der Beerdigung jener Kathy wiedergekommen war – einer jungen Frau mit zwei kleinen Kindern, mit der sie sich in der Krebsgruppe angefreundet hatte. Margaret war mit der Gruppe zur Beerdigung gegangen, ohne Enrique. Bei ihrer Rückkehr hatte sie gesagt, wie leid ihr Kathys Kinder täten und wie dankbar sie sei, dass sie lange genug hatte leben dürfen, um Greg und Max erwachsen werden zu sehen. Unter Tränen hatte sie heiter gelächelt. Ihre Stimme hatte brüchig, aber auch munter geklungen. Sie war von Schmerz und Liebe, Zärtlichkeit und Trauer erfüllt gewesen. Tatsächlich hatte sie etwas von einem General, einem Befehlshaber über das, was das menschliche Herz ängstigt und bricht. Sie war aufrichtig entzückt von Green-Wood, wo Kathy begraben worden war, einem aus dem neunzehnten Jahrhundert stammenden Friedhof in Brooklyn, dessen Hügel, zweihundertjährige Ahornbäume und verwitterte Grabsteine so viel reizvoller waren als die praktische Gleichförmigkeit der niedrigen, weißen Steinreihen in Jersey, wo die Toten der Cohens lagen. Irgendwie versöhnten die Eleganz von Green-Wood und die Nähe zu ihrem geliebtenManhattan Margaret mit Kathys Tod und dem Tod überhaupt, so als gäbe es eine Möglichkeit, diese Welt zu verlassen und dennoch von Anmut und Schönheit umgeben zu sein. Enrique konnte verstehen, dass sie dort begraben werden wollte.
Er half ihr ins Bett und versorgte sie mit der Times und einem Orangenfruchteis gegen den trockenen Mund, und sie fällte eine zweite Entscheidung. Enrique war hocherfreut, dass sie wieder das Kommando über sein tägliches Tun übernahm. »Könntest du Rabbi Jeff anrufen und ihn fragen, ob er meinen Trauergottesdienst hält? Und frag ihn auch gleich, ob es in der Orensanz geht«, sagte sie und meinte die alte schul in der Lower East Side. »Ich glaube nicht, dass man in Synagogen Beerdigungen abhalten darf«, setzte sie ängstlich hinzu.
»Ach nein?«, sagte Enrique. »Warum?«
»Wahrscheinlich, weil irgendwelche Juden in ihrer Bakterienphobie dachten, die Leichen würden Seuchen verursachen. Was ja auch stimmt. Vielleicht können wir ja einfach nur den Trauergottesdienst dort abhalten. Ich finde es in dieser verrückten alten Synagoge viel schöner als im langweiligen Riverside – die Beerdigung kann dann ja woanders stattfinden, obwohl ich –« Ihr kamen die Tränen, wohl beim Gedanken, ihren eigenen Trauergottesdienst nicht mitzuerleben, der letzte tiefe Schmerz eines Sandwichkinds. »Puff!«, rief sie aus.
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