Glückliche Ehe
»Vielleicht ist das ja verrückt, vielleicht solltest du sie’s einfach in ihrer blöden Synagoge machen lassen«, sagte sie, gequält von dem Gedanken, dass womöglich nicht alle Details perfekt sein würden.
»Ich finde es heraus. Ich kümmere mich drum«, sagte er schnell, um sie zu beruhigen und weil er sie unterstützen wollte, ihren Geschmack und ihre Identität bis in den Tod gegen die Wünsche ihrer Eltern zu behaupten. Enrique schämte sich, diese Schlacht nicht für sie zu schlagen. Aberer wusste, ihre Wünsche würden Dorothy und Leonard respektieren, während sie ihn – einen Atheisten aus einer fremden Familie – verdächtigen würden, das alles nur erfunden zu haben. Solange Margaret da war, um ihm Befehle zu erteilen und zu bestätigen, dass es wirklich ihre Orders waren, hatte er die Autorität, diese Dinge umzusetzen.
Er rannte nach unten, sprach Rabbi Jeff eine Nachricht auf den Anrufbeantworter und setzte sich an seinen Laptop. Er googelte Green-Wood und griff zum Telefon, Schweiß auf der Stirn und an den Flanken. Er wollte es für sie schaffen, wollte diese Aufgabe lösen, dringender als alles, worum sie ihn je gebeten hatte, und er dachte gar nicht daran, dass es bei seinem Bemühen um ein Grab ging.
9 DAS ERSTE DATE
A ngesichts der fiebrigen Nervosität, die Enrique den ganzen Tag empfand, während er auf sein Date mit Margaret wartete, war es ein Beweis für die physikalischen Grenzen emotionaler Vorgänge, dass er nicht in Flammen aufging und als verkohlte Hülle in den schneeschwangeren, grauen New Yorker Himmel emporstieg. Eine Brennkammer, in der Angst und Verlangen glühten, ließ ihn auf dem glanzversiegelten Boden seines Studio-Apartments hin und her tigern, während es galt, eine wichtige Stilfrage zu beantworten. Sollte er seine schwarze, seine hellblaue oder seine dunkelblaue Levi’s anziehen oder lieber sein einzig teures Kleidungsstück, eine beigefarbene italienische Hose, die eng um seine Knabentaille saß und unten ausgestellt war? Der Schnitt der Mailänder Hose war typisch für die Siebzigerjahre-Mode, also passend, schließlich war es ja das Jahr 1975. Weniger passend schien es, am 30. Dezember ein dünnes Baumwoll-Leinen-Gemisch zu tragen. Und dann war da die enge Passform der importierten Hose um seine edelsten Teile, so dass sie eine maskuline Ausbeulung zur Schau stellte. Das verunsicherte ihn in gleich zweierlei Hinsicht: dass er nicht genug Beule vorzuweisen hatte und dass das zu zeigen, was er hatte, vulgär war.
Solche Hosen hätte er sich nie gekauft, wäre da nichtsein resoluter, von sexuellem Selbstbewusstsein strotzender Freund Sal gewesen. Enrique machte Sal kaum je etwas nach und in Sachen Kleidung schon gar nicht, aber da sein Freund im letzten Kalenderjahr bei Frauen öfter zum Zug gekommen war als er (was eigentlich keine große Leistung darstellte, da in diesem Fall schon die Zahl eins die höhere war), hatte er sich von Sal zu diesem Kauf überreden lassen. Den ganzen grauen Nachmittag brütete er in der Halogenhelligkeit seines Apartments über der kärglichen Auswahl von Jeans und genitalbetonten italienischen Hosen, ohne zu einem befriedigenden Schluss zu kommen.
Wenn es nicht gerade um Margaret ging, war Enrique kein Zauderer. Normalerweise traf er Entscheidungen schnell und leicht, indem er sich auf seine Recherchen verließ. Enrique hatte ein Faible für Wissen und genoss das beruhigende Gefühl, aufgrund von Erkenntnissen anderer Menschen zu handeln, die gescheiter und mutiger waren als er. Aber die drei Jahre mit Sylvie hatten ihn wenig darüber gelehrt, worauf Frauen bei einem Date mit einem einundzwanzigjährigen Mann achteten, und er war auch nicht auf die Idee gekommen, die zahllosen Frauenzeitschriften zu konsultieren, die Einblick in weibliche Gefühlswelten boten. Er wusste eine Menge über die sexuellen Bedürfnisse von Frauen, da Sylvie darauf bestanden hatte, dass er das einschlägige Kapitel in Unser Körper, unser Leben las, und immer sehr fordernd und explizit gewesen war, was orale Klitorisstimulation und sonstige Feinheiten ihrer sexuellen Vorlieben und Abneigungen betraf. Vieles davon ließ sich vermutlich auf andere Frauen übertragen. Aber die Wahl der Hose für ein erstes Date, das eigentlich schon das dritte Treffen war, noch verkompliziert durch die Tatsache, dass dieses Date einerseits im lässigen Greenwich Village stattfand, andererseits aber an einem Samstagabend – wo war der heilige Text, das Handbuch, das
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