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Glückliche Ehe

Glückliche Ehe

Titel: Glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Manifest, das die Antwort auf diese Frage enthielt?
    Männliche Ratgeber waren Mangelware. Bernard, in Sachen Margaret sowieso sein Feind, trug ausschließlich schwarze Jeans und ein blaues Arbeitshemd. Enriques acht Jahre älterer Halbbruder Leo war seit dem Alter von fünfzehn Jahren nie länger als zwei Tage ohne Freundin gewesen und hätte ihn vermutlich ausgelacht, weil er sich Gedanken über seine Kleidung machte. »Wenn du drüber nachdenkst, was du anziehen sollst, hast du schon verloren«, hörte er Leo im Geist sagen. Blieb also noch Sal, der fanatische Verfechter der italienischen Hose. Er beharrte darauf, dass der dünne Stoff trotz der Winterkälte kein Hinderungsgrund war, weil die Hose ihm unweigerlich menschliche Wärme eintragen würde. »Mr. Ricky, mit deinen langen Beinen siehst du in den italienischen Hosen einfach scharf aus. Sie wird sie dir vom Leib reißen. Darin siehst du aus wie Mick Jagger, Mann.«
    »Ich sehe aus, als wäre ich auf Heroin?«
    Sal fuhr unbeirrt fort: »Zieh die Milano-Hosen an, Mr. Ricky. Da wird ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen.«
    Enrique schien es unwahrscheinlich, dass Margaret von irgendetwas, was ein junger Mann tat, beeindruckt sein würde, geschweige denn von seiner Kleidung. Er hatte überhaupt nur den Mut gefunden, sie um dieses Date zu bitten, weil sie am Ende ihres Waisendinners einen Rundumschlag gegen sein Geschlecht geführt hatte.
    Als der Kaffee getrunken, das Dessert verzehrt und die Zigarette geraucht war, hatte sich Enrique endgültig verziehen wollen. Er hatte nur noch nach irgendwelchen höflichen Worten gesucht, um sich von Pam zu verabschieden, der Frau, die ihm Margaret seiner Meinung nach zugedacht hatte, als er seine Gastgeberin ausrufen hörte: »Die Männer sagen immer, sie rufen mich an, und tun es dann nicht. Offenbar bin ich abstoßend hässlich oder irgendwie furchterregend. Ist ja auch okay.« Sie lachte fröhlich. »Aber warum sagt jemand, er ruft an, wenn er’s dann doch nicht tut?«
    Phil und Sam, die den ganzen Abend so selbstsicher und gesprächig gewesen waren, verstummten angesichts dieser Attacke. Sie gafften die azuräugige, sommersprossige Margaret an, als wäre sie ein feuerspeiender Drache.
    »Stimmt doch, oder?«, fragte sie Lily, die sofort fröhlich antwortete: »Mir verspricht gar nicht erst jemand, mich anzurufen.«
    Margaret sah Pam am anderen Tischende erwartungsvoll an, aber Pam sagte gar nichts und schien alarmiert, als witterte sie eine Falle. Margaret richtete ihren Sarkasmus wieder gegen den verdatterten Phil. »Wer sagt euch Typen überhaupt, dass ihr anrufen sollt? Warum fühlt ihr euch verpflichtet zu lügen? Vielleicht will ich ja gar nicht angerufen werden!«
    »Vielleicht rufen wir ja deshalb nicht an«, kehrte Phil, aus seiner kurzzeitigen Sprachlosigkeit hochgeschreckt, Margarets eigene Aussage gegen sie.
    »Hast du mich deshalb nicht angerufen?«, beharrte sie.
    Tiefe Stille folgte, nachdem Margaret so plötzlich von den Mängeln der Männer im Allgemeinen auf Phils Mängel im Besonderen zu sprechen gekommen war. Phil sah Sam an, der aber schwieg, und stammelte: »Ich? Wann?«
    »Sooft ich dir seit der Uni über den Weg gelaufen bin! Beim ersten Jahrgangstreffen, auf Mary Wells Party in Brooklyn, bei der Beach Party in East Hampton. ›Ich ruf dich an‹«, imitierte Margaret Phils pathetische Redeweise – General MacArthur, der verkündet, dass er zurückkehren wird. » Jedes Mal. Ich habe dich nie darum gebeten. Ich habe nie irgendwas davon gesagt, dass wir telefonieren oder uns wiedertreffen sollten. Du sagst von dir aus, du rufst an, und tust es dann nicht. Kannst du mir das erklären, junger Mann?«
    Enrique hätte sich mit seinen Geschlechtsgenossen solidarisch fühlen sollen, aber er war voller Schadenfreude überdiese Wendung des Gesprächs. Er wusste nur zu gut, wie es dazu kam, dass ein Mann einer Frau, die zu haben war, unaufrichtige Versprechungen machte. Er war ja selbst gerade im Begriff gewesen, Pam irgendetwas ähnlichen Inhalts zuzumurmeln – dass er hoffe, man sehe sich wieder. Sonst erntete man doch einen gekränkten oder enttäuschten Blick, und gerade für einen Sohn aus jüdischem Hause löste ein solcher Blick von einer Frau eine lange Kette schlimmer Erinnerungen aus. So etwas zu sagen war keine Heuchelei. Im betreffenden Moment meinte er es immer ernst. Erst wenn er dem grundsätzlich zwingenden weiblichen Bann entkommen war, beschloss er, doch nicht anzurufen. Aber dieses

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