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Glückliche Ehe

Glückliche Ehe

Titel: Glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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wegen einer jungen Upper-East-Side-Erbin, die den ewig jugendlichen Enrique für ein verkanntes Genie hält, worauf Margaret endlich ein bitterböses Theaterstücküber das Dilemma braver jüdischer Mädchen verfasst, das den Pulitzerpreis, einen Tony Award und den Nobelpreis erhält. Er hätte diese barocke Geschichte gern noch weitergesponnen, musste ihr aber antworten, um nicht wie ein Idiot zu wirken. »Klar«, sagte er. »Du sollst einen netten jüdischen Jungen heiraten und drei Kinder bekommen.«
    »Zwei Kinder!«, rief sie aus. »Um Gottes willen. Ich glaube, selbst meine Mutter wäre mit zweien zufrieden.« Die Ampel schaltete um, und sie ging mit schnellen Schritten über die Straße, jetzt definitiv in Richtung ihrer Wohnung. Er hatte sich gefragt, ob sie merken würde, dass sie schon längst an seiner Straße vorbei waren, und ihm erklären würde, er brauche sie nicht nach Hause zu bringen, aber nein. Sie ging weiter in Richtung University Place, so zügig und energisch, dass es ihm trotz seiner langen Beine schwerfiel, mit ihr Schritt zu halten. Er eilte neben ihr her und war froh, nicht darüber entscheiden zu müssen, ob sie den Abend noch verlängern sollten. Sie würde ihn entweder nach oben bitten oder eben nicht. »Und? Hast du dich schon entschieden, ob du welche bekommen willst?«
    »Ob ich was bekommen will?«, fragte sie, als hätten sie über nichts Bestimmtes gesprochen. »Kinder?«, setzte sie plötzlich verwundert hinzu. »Ach, darüber denke ich gar nicht nach.«
    »Ist dir das egal? Hast du keine Angst, die Erwartungen deiner Mutter zu enttäuschen?«
    »Nein, es ist mir nicht egal. Na ja, vielleicht doch. Ich weiß nicht. Ich denke nicht drüber nach. Ich weiß, dass ich meine Mutter enttäuschen und unglücklich machen werde, egal, was ich tue.«
    Das fand er sehr traurig. Wenn seine Eltern sich über seinen mangelnden Erfolg ärgerten, wenn sie nie mit der Reaktion der Kritik auf seine Bücher zufrieden waren, wenn sie behaupteten, die Unfähigkeit seines Verlegers sei schulddaran, dass nicht mehr Exemplare seiner Romane verkauft würden, erkannten sie damit seine schriftstellerische Arbeit an und ermutigten ihn, weiterzuschreiben, wie wenig Erfolg er damit auch hatte. Ohne diese Art von elterlicher Unterstützung, dachte er, wäre das Künstlerdasein viel zu schwer. Aber er wusste, dass es oft anders war. Und sagte es auch. »Na ja, die meisten großen Künstler hatten Eltern, die nicht wollten, dass sie Künstler wurden.«
    »Ich bin keine große Künstlerin«, widersprach Margaret ohne Emphase. »Ich bin überhaupt keine Künstlerin. Ich weiß nicht, was ich bin«, erklärte sie. Sie klang wie ein verwundertes Kind, das eine rätselhafte und dennoch mögliche Zukunft vor sich sieht. »Wusstest du immer schon, dass du Schriftsteller werden willst? Na ja, vermutlich schon. Du hast ja so früh angefangen.«
    »Nein, das wusste ich nicht. Bevor ich meinen Roman geschrieben habe, gab es andere Sachen, die ich machen wollte. Bis ich elf war, wollte ich Präsident der Vereinigten Staaten werden.« Sie lachte. Er beugte sich zu ihr hinüber, um die Ernsthaftigkeit seiner Aussage zu betonen. »Doch, wirklich. Ich hatte den Congressional Record abonniert und habe als Klassensprecher kandidiert, bis der Vater eines Freunds von mir sagte: ›Du wirst nie Präsident. Nie im Leben. Dein Vater ist Latino und deine Mutter Jüdin – dich würde man in diesem Land nicht mal zum Hundefänger machen.‹ Da habe ich’s aufgegeben.«
    Margaret berührte seinen Arm. »Das ist ja schrecklich«, rief sie aus, als ob die Wunde immer noch blutete. Er blieb stehen. Ein halber Block noch bis zur gefürchteten Verabschiedung vor den kritischen Augen ihres Portiers. Er sah sie an, genoss ihre federleichte Hand auf seinem Arm. Sie ließ sie einen Moment da liegen und nahm sie dann langsam wieder weg, während sie sagte: »Wie gemein. Warum sagt man so was zu einem kleinen Jungen?«
    »Er hatte recht«, erwiderte Enrique. »Ich könnte vielleicht Senator in New York werden – allerhöchstens. Noch nicht mal das, bei den politischen Ansichten meiner Eltern. Die Exilkubaner würden mich eher erschießen als wählen.«
    Er wollte sich gerade über seine politischen Machtphantasien lustig machen, als ihm Margaret, eben noch so mitfühlend, zuvorkam: »Du müsstest erst die Highschool abschließen, bevor sie sich die Mühe machen würden, dich zu erschießen.«
    »Deswegen habe ich ja die Schule geschmissen. Wozu

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