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Glückliche Ehe

Glückliche Ehe

Titel: Glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Mikroökonomie?«
    »Ein Makroökonom ist jemand, der vorhersagt, ob die Aktien steigen oder sinken oder die Zinsen oder so was. Jemand, der allgemeine wirtschaftliche – na ja, mein Vater und Rob würden sagen – Spekulationen anstellt. Die beiden machen so was überhaupt nicht –«
    »Dein Vater ist also auch Mikroökonom?«
    »Mein Vater und Rob – und Larry werden sie wohl auch dazu bringen.«
    »Und was macht nun ein Mikroökonom?«
    »Wenn AT & T oder Con Ed eine Tariferhöhung von der Regierung absegnen lassen müssen oder wenn man ausrechnen will, wie viel man für etwas verlangen muss, um die Unkosten und unvorhergesehene Kosten abzudecken und trotzdem noch Gewinn zu machen, heuert man einen Mikroökonomen an, und der kommt dann mit wissenschaftlichen Mitteln« – sie hielt kurz inne und lächelte Enrique an, um klarzustellen, dass die Betonung von ihrem Vater und ihrem Bruder stammte – »zum richtigen Ergebnis. Jedenfalls lehrt das mein Bruder, mein Vater hat Mikroökonomie früher gelehrt, heute hat er eine Consulting-Firma, und mein kleiner Bruder studiert Mikroökonomie – unser Familiengeschäft also.«
    »Aha«, sagte Enrique. Er hatte zum Essen keinen Wein getrunken, aber selbst wenn er eine ganze Flasche intus gehabt hätte, wäre er jetzt schlagartig nüchtern gewesen. Was für eine riesige Kluft zwischen ihrem und seinem Familiengeschäft. Dass ihr Vater für AT & T und Con Ed arbeitete, war in den Augen seiner Eltern fast so schlimm wie Kollaboration mit der Vichy-Regierung. Und was, um Himmels willen, würden ihre Eltern und Brüder von seiner verrückten, linken, Romane schreibenden, chronisch abgebrannten Familie halten?
    Wieder herrschte Schweigen zwischen ihnen. Enriques Wohnung war nur noch anderthalb Blocks entfernt. Erfürchtete, die Stille würde sie daran erinnern, dass sie sich bald entscheiden mussten, wo und wie sie sich voneinander verabschieden wollten. »Die Pizza-Sache tut deinem Bruder bestimmt leid«, sagte Enrique, ohne richtig darüber nachgedacht zu haben. »Ich bin sicher, es ist ihm ganz schrecklich, dass er das damals gemacht hat. Ich bin sicher, er schämt sich dafür.« Nicht sicher war sich Enrique hingegen, warum er sich so für ihren Bruder einsetzte. Um auszuprobieren, wie es sich mit ihr streiten ließ? War das zwischen Freunden nicht üblich? In aller Freundschaft verschiedener Meinung zu sein?
    Margaret angelte in ihrer Handtasche nach einer Zigarette, als sie an der Ecke Sixth Avenue kurz stehenblieben. »Rob ist gern gemein. Er ist sarkastisch. Sehr sarkastisch, in allem. Hör zu, ich liebe ihn. Und als ich klein war, habe ich ihn vergöttert. Ich fand, er war der Größte. Er war mein großer Bruder, und er wusste alles. Aber er war gemein zu mir. Das kann man ihm nicht verdenken. Meine Mutter saß ihm permanent im Nacken. Er musste immer perfekt und vernünftig sein und alles richtig machen. Einen Lehrstuhl mit achtundzwanzig. Meine Güte, überleg dir das mal. Also kann ich’s verstehen.« Sie zündete sich ihre Zigarette an.
    »Und dein kleiner Bruder?«, fragte Enrique und folgte damit brav der Wende des Gesprächs ins Asexuelle – frischgebackene Freunde im Zeltlager, die sich von ihren Geschwistern erzählen.
    »Ach, Lawrence. Mein Brüderchen Larry. Lollipop-Larry. Er ist süß. Ich bin seine große Schwester, sechs Jahre älter, also war ich endlich mal die, die vergöttert wurde.«
    Sie überquerten die Sixth und näherten sich dem mutmaßlichen Ende dieses total verkorksten Abends. »Und du hast dich natürlich prima um ihn gekümmert«, sagte Enrique.
    Sie lachte aus dem Bauch, wie es auch ein Mann hätte tun können. »Ich war sogar ein noch viel schlimmerer Babysitterals Rob. Ich habe dem kleinen Larry einmal eine Gehirnerschütterung verpasst. Und ein andermal einen gebrochenen Arm. Zweimal mussten uns meine Eltern im Krankenhaus abholen, nachdem sie ihn mit mir allein gelassen hatten.« Sie lachte ansteckend fröhlich.
    »Wie hast du ihm die Gehirnerschütterung verpasst?«, fragte Enrique. »Hast du ihn mit dem Kopf voran fallen lassen?«
    »Nein« – sie brachte die Worte vor Lachen kaum heraus –, »ich wollte ihm das Fahrradfahren beibringen.«
    »Und den Armbruch?«
    » Ich habe ihm den Arm nicht gebrochen –«
    »Ach, komm, sag die Wahrheit. Du hast ihn am Arm mitgeschleift, weil du Drogen kaufen wolltest, und da hat er sich den Arm gebrochen –«
    »Nein, nein, nein. Ich wollte ihm zeigen, wie man Rollschuh läuft …«
    Sie

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