Glückliche Ehe
Willst du jetzt Eis?«
»Ich trinke meinen Kaffee schwarz. Ich kann genauso hart sein wie du.«
Sie verschwand wieder, kam ohne das Eis zurück und machte allen Spekulationen darüber, wo sie sitzen würde, ein Ende. Sie nahm weder den Eames-Sessel noch den Sofaplatz neben ihm. Vielmehr setzte sie sich auf die freie Armlehne des kleinen Sofas zur Küche hin, vermutlich, um schneller dort zu sein, wenn das Kaffeewasser heiß war. Odervielleicht gefiel es ihr auch, zur Abwechslung mal auf den langen Enrique herabsehen zu können. Jedenfalls lachte er, der mit einem Mal so heiter war, laut auf, weil er so absurde Kalkulationen über etwas angestellt hatte, das doch eigentlich mit romantischer Leichtigkeit ablaufen sollte. »Habe ich was Komisches gesagt?«, fragte sie.
»Nein.« Er sagte ganz einfach die Wahrheit: »Ich fühle mich nur gerade total wohl.«
Sie starrte ihn mit großen, erschrockenen Augen an. Ihr beunruhigendes Schweigen hielt so lange an, dass er nicht überrascht gewesen wäre, wenn sie verkündet hätte, sie fühle sich überhaupt nicht wohl. Er hatte vergessen, was er über sie gelernt hatte: dass von ihr keine prompten Repliken kamen. Nach sorgfältiger Überlegung sagte sie: »Ich auch. Mit dir kann man echt gut reden.« Der Wasserkessel pfiff. »Das ist ziemlich selten«, fügte sie im Gehen hinzu.
Sie kam mit einer Kanne Kaffee und Tassen zurück und ließ sich endlich genau da nieder, wo Enrique es ersehnt und befürchtet hatte: neben ihm auf dem Sofa, in Kussweite. Das Gespräch kam wieder in Gang, stetig und mühelos. Wenn sie ihn etwas zu seiner Lebensgeschichte fragte, war es ihm als autobiographischem Schriftsteller ein Leichtes, ein paar fertige Sätze abzuspulen, während sich sein Gehirn mit dem beschäftigte, was es wirklich faszinierte – der fast unsichtbaren Reihe von Sommersprossen unter jedem ihrer wunderbaren Augen, ihren leicht vorgeschobenen rosa Lippen, der Schnelligkeit, mit der sich der Ausdruck ihres Kinns beim Lächeln von streng in weich verwandelte. Wenn sie den Kopf drehte, um einen Schluck Kaffee zu nehmen, und fast noch im Schlucken wieder anfing, ihm voller Eifer etwas zu erzählen, konnte er fast schon spüren, wie sich seine hungrigen Lippen in die weiche Kuhle ihres weißen Halses schmiegten, dann Kuss für Kuss höher wanderten und ihre Lippen daran hinderten, weiterzusprechen.
Er hatte nur noch eine Frage an sie, und diese Frage konnte er nicht mit Worten stellen. Die Angst, die falsche Antwort zu bekommen, wuchs und wuchs, bis er, obwohl es überhaupt nicht zu dem passte, worüber sie gerade sprachen – sie erzählte von der Besetzung der Straight Hall in Cornell durch die Black Panthers, er von den Prozessen gegen Bobby Seale und Ericka Huggins in New Haven, bei denen er gewesen war –, bis er schließlich eine Atempause nutzte, um sich ihr zuzuwenden, ein paar Zentimeter an sie heranzurücken, so dass sich ihre Oberschenkel berührten, und sich zu ihr vorzubeugen.
Auf halbem Weg zu seinem Ziel hielt er inne. Margaret verstummte. Ein nüchternes Dunkel trat in ihre leuchtend blauen Augen. Sie sah auf seine Lippen herab, als taxierte sie, wie sie wohl schmecken würden. Er konnte nicht mehr zurück. Er beugte sich noch näher an sie heran, traute sich nicht zu atmen. Sie ermutigte ihn nicht. Sie verriet ihm durch nichts, ob sie ihre Lippen einladend öffnen oder zum Schrei aufreißen würde.
Er berührte ihren Mund so vorsichtig und behutsam, als würde sie womöglich zubeißen. Er schloss die Augen, überwältigt von dieser Nähe zu ihren bodenlosen Ozeanen, und erhöhte, jetzt da keine gewaltsame Gegenwehr erfolgt war, den Druck seiner Lippen. Ihr Körper gab nach, ihre Lippen wichen auseinander, die Feuchtigkeit ihrer Münder verschmolz für einen Moment, dann schlossen sich ihre Lippen wieder und drückten sich gegen seine.
Er rückte noch näher an sie heran und manövrierte einen Arm um ihre schmale Schulter, und ihre Nasen streiften sich, als sie sich einander im selben Moment öffneten und für einen wunderbaren Sekundenbruchteil keinen Anfang und kein Ende mehr zu haben schienen. Ihre Münder schlossen sich, befriedigt von dem kurzen Einssein, und als er sich von ihr löste, breitete sich ein Lächeln über sein Gesicht. Sielächelte nicht. Sie betrachtete ihn ernst und nachdenklich. Er wartete auf die Antwort auf seine Frage: Darf ich weitermachen?
Gedankenverloren legte sie den rechten Unterarm auf seine Schulter, und ihre zarte Hand
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