Glückliche Ehe
die Highschool abschließen, wenn man sowieso nicht Präsident werden kann?«
Ihre geschlossenen Lippen lächelten schief, ein Ausdruck, der ihm schon zweimal zuvor an ihr aufgefallen war, als er etwas gesagt hatte, das sie belustigte. Listige, fröhliche Augen, der Kopf erwartungsvoll zur Seite gelegt – amüsierte Zuneigung. Und da war ein Hauch von Besitzerstolz in ihrer Miene, als wäre Enrique ihr ganz privater Quell des Vergnügens, für niemanden sonst zugänglich. Und wieder war ihm klar, dass er sie jetzt eigentlich küssen musste, aber er war wie erstarrt, bis sie, jedes Wort betonend, fragte: »Du – wolltest – wirklich – Präsident – werden?«
»Ich dachte, ich könnte die Welt verändern«, antwortete er.
Sie feuerte einen einzelnen vergnügten Lacher ab. »Das kann ich mir vorstellen. Ich sehe den kleinen Jungen vor mir, der das gedacht hat.«
Sie ging wieder los, nahm den letzten, alles entscheidenden halben Block in Angriff.
Er fragte, was genau ihr Vater für AT & T mache, in der Hoffnung, dass sie so beide von dem bevorstehenden Abschiedsszenario abgelenkt wären. Während sie erzählte, dass ihr Vater oft für das Unternehmen vor Gericht und im Kongress auftrat, was für den linken Enrique ziemlich korrupt klang, streute sie beiläufig ein: »Willst du noch aufeinen Kaffee mit raufkommen? Oder auf ein Glas Wein oder so was?«
»Klar«, packte er die Gelegenheit beim Schopf. Urplötzlich war dies wieder ein Date, und sein Magen verkrampfte sich.
Sie sprach die ganze Zeit weiter, während sie mit dem Aufzug hinauffuhren, ihre Wohnung betraten und ihre Mäntel auszogen. Sie fragte, ob er einen Kaffee wolle, und er bejahte. Sie verschwand in ihrer winzigen Küche.
Ihr Wohnzimmer, oder vielmehr der Sitzbereich ihres Lförmigen Studios, bestand im Wesentlichen aus drei Möbelstücken: einem kleinen, schwarzweißgestreiften Sofa, einem ledernen schwarzen Eames-Sessel und einem Kiefernholz-Couchtisch. Das Sofa war von der Länge her ein Zweisitzer; wenn er sich dort niederließ und sie sich neben ihn setzte, würden sie sich praktisch schon küssen, wenn sie sich nur ansahen. Der Eames-Sessel war eine verlockend feige Alternative, aber er nahm seinen Mut zusammen und setzte sich auf das Sofa. Es erwies sich als sehr unbequem, zu niedrig für seine langen, dünnen Beine. Außerdem wusste er nicht, wohin mit den Füßen, denn der Couchtisch hatte unterhalb der Platte noch eine Ablage, die ihn daran hinderte, die Beine auszustrecken. Ergo saß er mit hochgezogenen Knien da. Er fühlte sich wie eine Gottesanbeterin oder eine Marionette, die zu einem grotesken Wirrwarr von Gliedmaßen in sich zusammengefallen war. Er wollte sich zur Seite drehen und ein Knie aufs Sofa legen, um seine Beine besser unterzubringen, aber dann würde Margaret sich sicherlich in den Eames-Sessel gegenüber setzen, womit sie so unerreichbar für ihn wäre, als läge der Atlantik zwischen ihnen.
Das machte ihm bewusst, dass sein Problem noch nicht gelöst war, indem er sich auf das Sofa gesetzt hatte. Und wenn sie sich nun in den Eames-Sessel setzte? In dem Moment erschien sie und sagte: »Das Wasser braucht ein paarMinuten. Nimmst du Milch?« Sie machte ein bekümmertes Gesicht. »Ich glaube, ich habe keine.«
»Keine Milch?« Enrique war überrascht. Milch war so ziemlich das Einzige, was sich in seinem Kühlschrank befand.
»Du trinkst deinen Kaffee mit Milch«, folgerte sie und verschwand wieder in der Küche. Er hörte, wie die Kühlschranktür aufging. »Mist. Tut mir leid. Ich habe ein bisschen Vanilleeis. Soll ich dir das in den Kaffee tun?« Ihr Oberkörper kam wieder zum Vorschein, als sie sich, eine Plastikdose Breyers-Eis in der Hand, aus der Küchentür beugte: ein gastfreundliches blauäugiges, sommersprossiges Mädchen.
»Du trinkst deinen Kaffee schwarz«, sagte Enrique. Sie nickte irritiert. »Du bist ganz schön macho. Du bist ein echtes Macho-Mädel.« Er lachte über seinen eigenen Witz, zufrieden mit der Welt und mit sich selbst. An ihrer Stimme und ihrer Körpersprache merkte er, dass es sie kein bisschen befangen machte, allein mit ihm in ihrer Wohnung zu sein. Er entspannte sich und studierte genüsslich ihr verdutztes Gesicht. Er würde es zwar sicher nicht schaffen auszuprobieren, ob sie entsetzt zurückzuckte, wenn er sie küsste, aber er entspannte sich trotzdem ein bisschen.
»Das ist doch Unsinn«, sagte sie. »Macho-Mädel?« Sie wedelte mit der Eisdose. »Mir frieren die Finger ab.
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